Ortsverband Karlsruhe

Fortschreibung des Regionalplans Mittlerer Oberrhein von 2003

Auszug aus der Stellungnahme zu den Karlsruher Flächen (leicht gekürzt)

(…) Der Flächennutzungsplan hat in Karlsruhe bereits zahlreiche Bebauungsflächen ausgewiesen, so dass u. E. keine weiteren Flächen ausgewiesen werden dürfen. Näheres wird in der Beurteilung der einzelnen Flächen stichwortartig erläutert.
Es kann nicht sein - nicht zuletzt auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes, dass die heutige Generation die Entwicklungsmöglichkeiten für zukünftige Generationen noch mehr einschränkt. Hinzu kommt, dass im neuen Regionalplan Klima, Grundwasser-Neubildung und Artenschutz weitgehend missachtet werden. Teilweise sind vorgeschlagene Flächen bereits in der Abwägung im Rahmen der Flächennutzungsplanung 2030 abgelehnt worden.

Übersicht über die Siedlungserweiterungsflächen in Karlsruhe und betroffene Schutzgüter

Name Stadtteil Fläche betroffene Schutzgüter
SERW_302_V1 Neureut 9.6 ha §33 Biotope, Grundwasserneubildung, Boden, Vorrangflur Stufe 1
SERW_303_V1 Neureut 3.8 ha Grundwasserneubildung, Klima-Regionalwind, Vorrangflur Stufe 1
SERW_305_V2 Neureut 1.8 ha Neureuter Feldflur: §33 Biotope, Grundwasserneubildung, Boden, Landschaftsschutzgebiet, Klima-Regionalwind, Artenschutz
SERW_306_V2 Neureut 2.1 ha §33 Biotope, Grundwasserneubildung, Boden, Klima-Regionalwind
SERW_307_V1 Hagsfeld 3.4 ha Wassersschutzgebiet, Grundwasserneubildung, Boden, Klima-Regionalwind, Artenschutz
SERW_310_V1 Rintheim 18.4 ha Elfmorgenbruch: bedeutende Wälder, Wassersschutzgebiet, Boden, Klima-Kaltluft, Artenschutz, Natura2000, Waldrefugium
SERW_312_V2 Südoststadt 14.4 ha Gleisbauhof: Grundwasserneubildung, Artenschutz
SERW_314_V1 Rüppurr 5 ha KGV Seewiesen: Grundwasser, Artenschutz
SERW_315_V1 Rüppurr 14 ha südlich Rüppurr: biol. Vielfalt §33 Biotope, Grundwasser, Wasserschutzgebiet, Boden, Überflutungsgefahr, Klima - Regionalwind, Artenschutz
SERW_317_V1 Wolfartsweier 0.7 ha Boden, Grundwasser, Vorrangflur Stufe 1
SERW_318_V1 Hohenwettersbach 7.8 ha Grundwasserneubildung, Landschaft, Boden, Vorrangflur Stufe 1, Artenschutz
SERW_319_V1 Stupferich 2.2 ha Vielfalt §33 Biotope, Mähwiesen, Grundwasserneubildung, Boden, Klima - Kaltluft, Artenschutz, Landschaft
SERW_320_V2 Palmbach 10.2 ha Biol. Vielfalt, Boden, Artenschutz
SERW_611_V1 Wolfartsweier 2.2 ha Wasserschutzgebiet, Landschaft, Boden, Vorrangflur Stufe 1, Artenschutz
SERW_635_V1 Knielingen 11.6 ha biol. Vielfalt §33 Biotope, Grundwasserneubildung, Boden, Überflutungsgefahr, Landschaft, Vorrangflur Stufe 1, Artenschutz
SERW_636_V1 Knielingen 8.8 ha biol. Vielfalt §33 Biotope, Grundwasserneubildung, Klima-Regionalwind, Boden, Überflutungsgefahr, Landschaft, Vorrangflur Stufe 1, Artenschutz

Die Planausschnitte zeigen, dass zwar mit einigen Ausnahmen und großzügig ausgelegt an vorhandene Bebauung angeschlossen werden soll, der Umweltbericht jedoch macht deutlich, dass alle zu betrachtenden Flächen das Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklung regelrecht konterkarieren.

In einer vom Klimawandel besonders betroffenen Stadt, deren Wälder durch die Dürresommer der letzten Jahre schwer gezeichnet sind, in der die Bewohner unter der Hitze gelitten haben, die sich Anpassungsstrategien gegen den Klimawandel vornimmt, sollen 105 ha bebaut werden, die für die Grundwasserneubildung wichtig sind oder Wasserschutzgebiete enthalten! Schon dieser Umstand bedeutet, dass aus Vorsorgegründen der Schluss gezogen werden muss, dass sämtliche 16 Flächen (…) nicht bebaut werden dürfen.
In besonderem Ausmaß trifft dieses Ausschlusskriterium auf den Elfmorgenbruch zu (SERW_310_V1). Auf diesen 18 ha treffen ein Wasserschutzgebiet und wertvolle Kaltluftabflüsse in einem Waldrefugium zusammen. Eine Bebauung kann sich nur besonders negativ auf das Stadtklima auswirken. Auch der Artenschutz wird nicht beachtet. Wir können es nur als zynisch bewerten, wenn „artenschutzrechtliche Verbotstatbestände“ als wahrscheinlich angenommen werden und auf eine Ausnahme spekuliert wird. Auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungsziele des betroffenen Natura 2000 Gebiets wird nicht ausgeschlossen, es wird nur vermutet, dass sie zu vermeiden sind. Wir weisen nachdrücklich darauf hin, dass für Natura 2000 Gebiete ein Verschlechterungsverbot besteht.

Nahezu alle Kriterien, die gegen eine Bebauung von 14ha südlich von Rüppurr sprechen (SERW_315_V1) wiederholen sich hier: hohe Grundwasserneubildung, Durchlüftungsgebiet, also auch hier würde eine Bebauung das Stadtklima verschlechtern.

Zu den oben genannten Verschlechterungen für das Grundwasser würden bei etlichen Flächen durch eine Bebauung noch Einschränkungen für die Bildung von Kaltluft und Regionalwinden hinzukommen, was zu einer weiteren Hitzebelastung für die Bevölkerung führen würde. Bei den Flächen in Knielingen (SERW_635_V1 und 636) wird völlig außer Acht gelassen, dass die vor Jahren erstellte Studie zu den Belastungsgrenzen empfohlen hatte, aus klimatischen Gründen keine weitere Bebauung zwischen dem Rhein und dem Siedlungsbereich mehr vorzunehmen. Und das war lange vor den Hitzesommern.

Um zum mangelnden Artenschutz bei der Planung zu kommen, rufen wir in Erinnerung, dass nicht nur der Klimawandel ein gesundes menschliches Leben bedroht, sondern auch die schwindende Biodiversität. Flora und Fauna brauchen Lebensräume, damit sich ihr genetischer Pool verändern und damit an sich ändernde Lebensbedingungen anpassen kann. Bei nach EU-Recht geschützten Arten wie u.a. in SERW_312_V2 (großes Molchvorkommen) geht man von wahrscheinlichen Verbotsrechtlichen Tatbeständen aus, wohl wissend, dass es in Karlsruhe kaum noch Kompensationsflächen gibt (siehe geplante weitere Rheinbrücke). Nicht überraschend, dass auf Ausnahmen gehofft wird.
Die Fläche in Stupferich (SERW_319_V1) würde u.a. eine FFH-Mähwiese in Anspruch nehmen; Mähwiesen befinden sich in Deutschland in einem schlechten Zustand, es läuft bereits ein entsprechendes Verfahren der EU gegen Deutschland, um seinen Verpflichtungen aus der FFH-Richtlinie nachzukommen.

Und wozu nach §33 geschützte Biotope ausweisen, wenn sie bebaut werden sollen? Ebenso sind Streuobstwiesen nach dem Naturschutzgesetz Baden-Württemberg seit 2020 geschützt.

SERW_312_V2 (Südoststadt)
Das Gebiet zählt trotz der anthropogen-technischen Überprägung zu den Biotoptypenkomplexen mit hoher Bedeutung. Es kommen streng geschützte Reptilienarten, Zaun-, Mauer- und Ruineneidechsen sowie Amphibien wie Berg- u. Teichmolch, Gras-, Spring- und Teichfrosch und Erdkröten vor, der Kammmolch hat hier einen Lebensraum. Nach Aussagen der Höheren Naturschutzbehörde beim RP handelt es sich um die größte Kammmolchpopulation im Regierungsbezirk Karlsruhe, die keine 100 m entfernt in Gräben und Gewässern ablaicht.
Die Bayerische Landesanstalt für Umwelt hebt in ihrer Beschreibung des Kammmolches hervor, dass zum Umfeld der Gewässer geeignete Lebensräume in guter räumlicher Verzahnung vorhanden sein müssen, beispielsweise Hecken, Feldgehölze, Laubwälder. Die im geplanten Areal vorhandenen Gehölze, Hecken und Laubwäldchen sind für die große Kammmolch-Population essenziell. Das Gebiet wird deshalb abgelehnt auch aus Gründen des Klimas, der Kaltluft sowie als Ausgleichfläche.

In etlichen weiteren Flächen würden hochwertige Ackerböden - Vorrangflur Stufe 1 – für Jahrzehnte zerstört (im Fall von Knielingen durch Gewerbeansiedlungen), während andererseits mit Fläche regelrecht geaast wird (neu errichtetes Autohaus an der Sudetenstr, riesige Parkflächen Industriepark Siemens). Zudem ziehen weitere Gewerbeansiedlungen weiteren Bedarf an Wohnraum nach sich. Auch hier ist keinerlei Konzept einer nachhaltigen Entwicklung zu erkennen.

Ein entsprechendes Konzept muss jedoch die Grundlage einer Regionalplanung sein, die das Wohlergehen der Bevölkerung in den kommenden Jahren zu Grunde legt. (…)

Links:
Unterlagen Regionalplan
Gemeinsame Stellungnahme des LNV, BUND und Nabu (PDF)

Juli 2021