Ortsverband Karlsruhe

Lebensmittelmarkt Grünwettersbach

Foto: Dr. Rolf Mörtter (SMNK)

Die Naturschutzverbände sprechen sich eindeutig gegen den geplanten Lebensmittelmarkt in Grünwettersbach und gegen den damit verbundenen Einzeländerungsantrag des Flächennutzungsplans aus. Die Planung eines weiteren Lebensmittelmarktes auf Kosten eines schützens- und erhaltenswerten FFH-Gebiets ist aus naturschutzrechtlichen Gründen komplett abzulehnen. Wir begründen dies im Detail wie folgt:

Konflikt mit dem FFH Gebiet

Zur Bedeutung des Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH) „Wiesen und Wälder bei Ettlingen“ (Nr. 7016342): Ursprünglich waren im Grünwettersbacher Offenland sowohl der Helle als auch der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling bodenständig. Der Helle Ameisenbläuling (Phengaris teleius) ist leider zwischenzeitlich dort ausgestorben. Die Population des Dunklen Wiesenknopf- Ameisenbläulings ist die letzte im Karlsruher Raum. Gerade in dieser Vegetationsperiode sind die Bestände der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge nochmals katastrophal eingebrochen.

Allein durch die im Vergleich zur Gesamtgröße des FFH Gebiets relative kleine betroffene Fläche kann nicht per se geschlossen werden, dass keine Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele zu erwarten sind. Vielmehr müssen die aktuellen geringen Individuenzahlen und wenigen verbliebenen Lebensräume der Restvorkommen genau betrachtet werden. Ebenso sind die seit Jahren regelmäßig und großflächig eintretenden Beeinträchtigungen der Lebensräume durch falsche Mahdtermine zu berücksichtigen, die sehr wahrscheinlich für die Verschlechterung des Erhaltungszustands verantwortlich sind.
In FFH-Gebieten besteht grundsätzlich ein Verschlechterungsverbot.

Aktuell wurden 2021 im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe im Rahmen des Artenschutzprogramms neue Daten zum Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling am Grünwettersbacher Hatzengraben erhoben. Diese Daten müssen Grundlage für eine Aktualisierung der Gutachten (FFH-VS, SaP) sein. Wir bitten, uns diese Daten vorzulegen.

Es ist – darauf wurde in zurückliegenden Gutachten auch bereits hingewiesen - eine Gefährdung der Ameisenbläulinge durch den laufenden Betrieb des Marktes durch ankommende und abfahrende Kunden und Zulieferer zu erwarten. Schließlich liegen die Lebensstätten der Bläulinge in den unmittelbaren Nachbargrundstücken. Angesichts des derzeitigen hohen Drucks auf die Populationen der geschützten Arten ist es nicht hinnehmbar, dass dieser durch den Bau von Verkehrsflächen weiter erhöht wird. Es kann nicht sein, dass die letzten Bläulinge an den Windschutzscheiben enden.

Weiter ist von stark erhöhtem Abgas-, Schadstoff- und Müllaufkommen durch den Parkplatz auszugehen, was sich negativ auf die dann direkt angrenzenden verbleibenden FFH-Flächen auswirkt.

Ein weiterer nicht angesprochener Punkt betrifft die Verlegung des derzeitigen Feldweges. Hier wird keine Lösung vorgestellt. Sollte dieser verlegt werden, werden weitere Flächen innerhalb des FFH-Gebiets benötigt mit weiteren negativen Auswirkungen.

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Vorhaben massiv gegen die festgesetzten Entwicklungsziele im Managementplan "Wiesen und Wälder bei Ettlingen" aus dem Jahr 2010 verstoßen wird, die mitten im Vorhabengebiet liegen: a) potenzielle Lebensstätte Wiesenknopf- Ameisenbläuling, b) Entwicklungsziel Magere-Flachland-Mähwiese.

Was die Stadt als Grundstückseigentümerin unternommen hat, um seit 2010 die Entwicklungsziele zu erreichen, ist entsprechend nachzuweisen und den Naturschutzverbänden vorzulegen. Es ist zu überprüfen, ob die Mahdtermine so gelegt wurden, dass die Wirts- und Futterpflanze für die Entwicklung des Ameisenbläulings zur Verfügung stand. Warum wäre sonst dessen Population derart zurückgegangen?

Letztlich stellt sich die zentrale Frage nach der Erwartung "erheblicher Beeinträchtigungen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck der maßgeblichen Bestandteile des Gebietes". Laut der Angaben im vorgelegten Umweltbericht kommt die (aktuelle?) FFH-Verträglichkeitsprüfung [Leider liegt uns diese Verträglichkeitsprüfung ebenso wenig vor wie die im Umweltbericht auch erwähnte spezielle artenschutzrechtliche Untersuchung von 2019 – wir bitten, uns beide Unterlagen zuzusenden.] zu dem Ergebnis, dass „keine erheblichen anlagebedingten Beeinträchtigungen auf die Erhaltungsziele zu erwarten sind.“

Dem wird deutlich widersprochen; es sind insbesondere im Hinblick auf die stark bedrohte Population des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings sehr wohl erhebliche anlage- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele und des Schutzzwecks zu erwarten.

Demnach ist das Vorhaben unzulässig, es sei denn, es gäbe keine zumutbaren Alternativen und das Vorhaben wäre aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art erforderlich.

Das ist aus nachfolgenden Gründen mit den aufgeführten Möglichkeiten einer Lebensmittelnahversorgung nicht der Fall, daher ist das Vorhaben unzulässig.

Bedarf eines Lebensmittelmarktes in dieser Größenordnung

Die Naturschutzverbände bezweifeln, dass der angegebene Bedarf in dieser Größenordnung tatsächlich vorliegt. Der Bedarf des Lebensmittelmarkts wird aus einem Gutachten abgeleitet (liegt uns nicht vor) und mit einem Einzugsgebiet von 12.000 EinwohnerInnen begründet. In allen Höhenstadtteilen sind zurzeit ausreichend Märkte vorhanden (Palmbach) bzw. werden erstellt (In Hohenwettersbach mit ca. 800 m² Verkaufsfläche). In den direkten Nachbargemeinden sind weitere große Märkte vorhanden. Ein solch großer Markt mit den dazugehörigen Parkplatzflächen ist für den Ort überdimensioniert, zumal die vorhandenen Märkte von einer Vielzahl an EinwohnerInnen leichter und schneller erreicht werden können. Eine nicht geringe Zahl der Einwohner insbesondere von Hohenwettersbach, Grünwettersbach und Palmbach kauft nach unserer Wahrnehmung auch in den gut und speziell sortierten Märkten in Durlach, Durlach-Aue und Ettlingen ein.

Für die Höhenstadtteile („Bergdörfer“) stehen zur Nahversorgung insbesondere folgende (Lebensmitteleinkaufs-)Alternativen gegenüber dem geplanten Vorhabenstandort im FFH-Gebiet „Wiesen und Wälder bei Ettlingen“ zur Verfügung:

  1. Ein bestehender Edeka Piston Lebensmittelmarkt in Palmbach mit rd. 600 m² Verkaufsfläche, Ortsausgang Palmbach Richtung Grünwettersbach (in nur rd. 500 m Entfernung zum Vorhabenstandort für einen neunen Lebensmittelmarkt im FFH-Gebiet in Grünwettersbach).
    Der Standort ist bequem zu Fuß, mit dem Fahrrad, Auto oder mit dem Bus über die in unmittelbarer Nähe befindlichen Bushaltestellen zu erreichen.
    Der als rentabel im Betrieb einzustufende bestehende Lebensmittelmarkt (vor rd. zwei Jahren umfangreich modernisiert) in Palmbach sichert langjährig die Nahversorgung von Palmbach und Grünwettersbach, dort insbesondere den südlichen Teil.
    Wird die Rentabilität des vorgenannten Lebensmittelmarktes in Palmbach in Abrede gestellt, sind entsprechende Steuerbilanzen und betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) als Nachweis vorzulegen. Eine unbelegte Behauptung (seitens des Betreibers?) kann nicht akzeptiert werden. Jedoch ist stark zu befürchten, dass nach Bau eines größeren, neuen Marktes in nur 500 m Entfernung die Umsätze des Palmbacher Marktes einbrechen und er dann tatsächlich unrentabel und geschlossen werden könnte – zum Nachteil der Nahversorgung Palmbachs.

  2. In Hohenwettersbach steht ein moderner, in Bau befindlicher neuer Netto-Lebensmittelmarkt mit rd. 800 m² Verkaufsfläche ab September 2021 zum Einkaufen zur Verfügung. Dieser Lebensmittelmarkt dient neben Hohenwettersbach auch den Höhenstadtteilen Bergwald und Grünwettersbach, dort insbesondere dem nördlichen Teil.
    Dieser Standort ist ebenfalls bequem zu Fuß, mit dem Fahrrad, Auto oder mit dem Bus über in unmittelbarer Nähe befindliche Bushaltestellen zu erreichen.

  3. Darüber hinaus verfügen Grünwettersbach und Hohenwettersbach hinsichtlich der Lebensmittelversorgung über zwei moderne Bäckereifilialen (Nussbaumer) und zwei Metzgereien (Speck, Lust).

Im Übrigen ist der geplante Vorhabenstandort im FFH-Gebiet „Wiesen und Wälder bei Ettlingen“ für eine Nahversorgung des ebenfalls den Höhenstadtteilen („Bergdörfern“) zuzuordnenden Stadtteils Stupferich mit einer Entfernung von rd. 4,5 Kilometern ungeeignet.

Der Lebensmittelbedarf in Stupferich wird derzeit überörtlich gedeckt, z.B. in Lebensmittelmärten in Waldbronn-Busenbach (ca. 3,7 km Entfernung), Karlsbad-Langensteinbach (ca. 4,7 km Entfernung) und Pfinztal-Kleinsteinbach (ca. 5,0 km Entfernung).

Eine Lebensmittel-Nahversorgung für Stupferich kann nur durch eine dortige, örtliche Bestandserhaltung (z.B. Bäckerei Nussbaumer) und Ansiedlung entsprechender Geschäfte gelingen und nicht über einen neuen Lebensmittelmarkt im FFH-Gebiet „Wiesen und Wälder bei Ettlingen“ in Grünwettersbach in 4,5 km Entfernung. Dies wäre schlicht abwegig.

Weitere Schutzgüter

Den Flächen wird laut Klimafunktionskarte eine Kaltlufterzeugungsrate von 700-1400 m³/s zugeordnet und sie befinden sich in einer Kaltluftleitbahn. Das Schutzgut Klima/Luft wird laut NVK Karte mit hoch (3) bewertet (Diskrepanz zur Matrix im Umweltbericht). Im Umweltbericht wird bereits festgestellt, dass „die Nutzung als Sonderbaufläche durch Barrierewirkungen und Flächenversiegelung negative Auswirkungen zu Folge haben kann“. Die beschriebene Dachbegrünung und Durchgrünung der Stellplätze sind jedoch keine Maßnahmen, die der Barrierewirkung sowie Flächenversieglung entgegenwirken. Versiegelte und asphaltierte

Stellplätze und Verkehrsflächen werden sich dennoch aufheizen und in Sommernächten Kaltlufterzeugung und -transport entgegenwirken. Auch das Bauwerk selbst, obwohl in den Hang gebaut, wird anlagebedingt eine Störung der Durchlüftung hervorrufen. Insofern verbleiben mit dem vorliegenden Konzept ohne wirkungsvolle Ausgleichsmaßnahmen erhebliche negative Auswirkungen. Dies ist bei der Bewertung der Umweltauswirkungen entsprechend zu berücksichtigen.

Das Schutzgut biologische Vielfalt wird laut Karten des NVK mit hoch (3) bis sehr hoch (4) bewertet (Diskrepanz zur Matrix!). Der Ausgleich soll laut Umweltbericht auf der Planfläche möglich sein. Es ist aufgrund der Qualität der verlorenen Flächen (Mähwiesen) nicht ernsthaft vorstellbar, dass durchgrünte, jedoch hoch frequentierten Verkehrsflächen einen adäquaten Ausgleich hierfür schaffen können, zumal es sich um ein FFH Gebiet handelt (s. o.). Insofern wäre ein Ausgleich außerhalb der Flächen zwingend erforderlich. Zudem sollten die negativen Auswirkungen auf die verbleibenden Flächen ermittelt und in der Gesamtbilanz berücksichtigt werden.

Die Schutzgüter Boden und Wasser sind mit hoch bis sehr hoch (3-4) bewertet. Neben dem Verlust der Bodenfunktionen ist zu berücksichtigen, dass diese Flächen als wichtige Versickerungsflächen dienen, die ebenfalls verloren gehen.

Die bestehenden Diskrepanzen in der Bewertung im Umweltbericht zur NVK-Karte sollten aufgelöst werden.

August 2021