Ortsverband Karlsruhe

Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren nach § 11 des Landesseilbahngesetzes (LSeilBG) Barrierefreier Umbau und Verlängerung der Standseilbahn in Karlsruhe-Durlach

Grundsätzliche Anmerkungen

Bereits im Scoping hatten die Naturschutzverbände auf die Gefahr hingewiesen, die dem Landschaftsschutzgebiet Turmberg-Augustenburg durch eine massive Erhöhung der Besucherzahlen
droht. Durch den geplanten Neubau der Turmbergbahn und die damit verbundene Erhöhung der Fahrgastzahlen der Turmbergbahn wäre – ohne damit verknüpfte Maßnahmen zur Beschränkung der Belastungen des Schutzgebiets durch Besucher - eine gravierende Beeinträchtigung zu erwarten. Um diese zu erfassen und bewerten zu können, wäre eine entsprechende Erweiterung des Untersuchungsgebiets erforderlich gewesen. Der Untersuchungsumfang muss mögliche zusätzliche Belastungen durch zusätzlichen Verkehr, zusätzliche Besucher abbilden.

Es gab dann am 8.4.2022 zur Frage des Untersuchungsumfangs ein Nachgespräch mit den VBK.
Im Nachgang dazu äußerten sich die VBK wie folgt:

„Wir sind in unserem im Gespräch vom 08.04.2022 mit dem Regierungspräsidium seinerzeit so verblieben, dass Ihrerseits eine Mitteilung (Email oder Schreiben) an uns bzw. das RP formuliert wird, bei dem Sie von Ihrer Forderung zur Ausweitung des Untersuchungsraumes im Zusammenhang mit dem Projekt Erneuerung und Verlängerung der Turmbergbahn absehen können, sollte die Stadtverwaltung sich der bekannten Verkehrs-Problematik am Turmberg annehmen.
Wie Sie sicherlich den aktuellen Presseartikeln entnommen haben, hat der OB in der Gemeinderatssitzung am vergangenen Dienstag sich hierzu bekannt und in diesem Zusammenhang möchte ich in Abstimmung mit dem RP nachfragen, ob von Ihrer Seite nun noch weitere Aussagen benötigt werden, oder ob die Ankündigung des OB´s genügt, um auf die o.g Ausweitung des Untersuchungsraumes zu verzichten.“

Von Seiten der Naturschutzverbände wurde daraufhin per E-Mail mitgeteilt:
„Nachdem seitens Oberbürgermeister Frank Mentrup eine Neuordnung des Verkehrsaufkommens auf dem Turmberg im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Turmbergbahn mit dem Ziel der Reduktion der negativen Auswirkungen des MIV angekündigt wurde, halten wir unsere Forderung auf Ausweitung des Untersuchungsraums für verzichtbar.
Auch in Hinblick auf die uns übersendeten Unterlagen zu durchgeführten Arterhebungen können wir dem vom Vorhabenträger dargestellten Untersuchungsumfang zustimmen.“

So findet sich auch folgende Passage im UVP-Bericht (Seite 9):
„Seitens der Stadt Karlsruhe wurde eine Neuordnung des Verkehrsaufkommens auf dem Turm-berg im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Turmbergbahn mit dem Ziel der Reduktion der negativen Auswirkungen des MIV angekündigt. Mögliche Auswirkungen des erhöhten Besucheraufkommens auf Natur und Landschaft im oberen Turmbergbereich, als Folge des Vorhabens, werden daher nicht betrachtet.“

Eine belastbare Grundlage und ggf. vollstreckbare Zusage stellt dieser Abschnitt im UVP-Bericht
unseres Erachtens allerdings nicht dar. Eine entsprechende zeitlich und sachlich bindende Verknüpfung der Inbetriebnahme der verlängerten Turmbergbahn mit einer die negativen Umwelt-auswirkungen des Besucherverkehrs reduzierenden Neuordnung des Verkehrs ist herzustellen. So war nach der Erstankündigung einer Verkehrsneuordnung kurz darauf zu lesen: „Straßenverkehr auf dem Turmberg wird ergebnisoffen untersucht“. Dass eine Untersuchung ergebnisoffen erfolgt ist nun nachvollziehbar. Als verbindlich gesetzt muss jedoch als Ziel formuliert werden, dass eine Reduktion der negativen Auswirkungen des MIV erreicht wird.

Es wird angeregt, dass vorab des Erörterungstermins eine Einigung/Vereinbarung herbeigeführt wird, wie eine „Neuordnung des Verkehrsaufkommens auf dem Turmberg im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Turmbergbahn mit dem Ziel der Reduktion der negativen Auswirkungen des MIV“ mit angemessener Sicherheit gewährleistet werden kann.

Sollte dies nicht gelingen, so wäre unseres Erachtens davon auszugehen, dass die ausgelegten Planunterlagen keine ausreichende Grundlage für einen abwägungsfehlerfreien Planfeststellungsbeschluss darstellen, da Belange des Umwelt- und Naturschutzes in Hinblick auf die steigende Besucherfrequenz nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt wurden.  

Dann wäre von einer ungenügenden Abwägung von Umweltbelangen in Zusammenhang mit dem Landschaftsschutzgebiet Turmberg-Augustenburg auszugehen und wären die Schutzzwecke nach 3/2.13 Verordnung des Bürgermeisteramtes Karlsruhe über das Landschaftsschutzgebiet "Turmberg-Augustenberg" vom 17. Dezember 2009 (Amtsblatt vom 15. Januar 2010) gefährdet.

Daran erinnert werden kann, dass bereits im Scoping-Verfahren die Naturschutzverbände darauf hingewiesen haben, dass bei der geplanten Verlängerung und der damit verbundenen massiven Erhöhung der Fahrgastzahlen (115.000 auf 263.000 pro Jahr) negative Auswirkungen auf das Landschaftsschutzgebiet Turmberg-Augustenberg zu erwarten sind.  

Die Erhöhung der Fahrgastzahlen ist das Ziel und damit als betriebsbedingte Folge des Neubaus
der Turmbergbahn zu sehen. Folglich sind die Auswirkungen dieser Erhöhung in der Abwägung
mit zu berücksichtigen (analog zu betriebsbedingten Geräuschentwicklungen im Sinne des Immissionsschutzes) – es sei denn diese negativen Wirkungen werden durch geeignete Maßnahmen kompensiert, hier sollte eine Beschränkung des MIV geeignet sein.

Andernfalls wäre zu befürchten, dass die zusätzlichen Fahrgäste der Turmbergbahn, die die Aussichtsterrasse und die nähere Umgebung des Turmbergs besuchen, sich negativ auf die Schutzzwecke nach §3 Ziffer 1 (Naturhaushalt und -güter), Ziffer 2 (Erholungsgebiet) und Ziffer 3 (Schutz des Landschaftsbildes) der Verordnung 3/2.13 vom 17.12.2009 auswirken werden.  

zu Ziffer (1) Es wäre zu befürchten, dass durch die zusätzlichen Besucher ohne weitere Maßnahmen ein größerer Druck auf den Naturhaushalt, Pflanzen, Arten vor allem im Bereich der Turmbergterrasse und der näheren angrenzenden Umgebung entsteht (z. B. aufgrund stärkeren Vermüllens, Lärmentwicklung, Wildpinkeln, Verlassen der Wege). Dies wäre nicht mit dem Schutzzweck nach Ziffer 1 vereinbar, in dem die Bedeutung für Naturgüter und die standorttypische Tier- und Pflanzenwelt hervorgehoben wird.   

zu Ziffer (2) Durch die große Anzahl weiterer Fahrgäste würde ohne weitere Maßnahmen auch der Schutzzweck nach Ziffer 2 beeinträchtigt: Ein Erholungsgebiet für BewohnerInnen liegt nicht mehr vor, wenn sich sehr viele Menschen auf engem Raum aufhalten. Bereits aktuell sind während der Hauptbesuchszeiten im Sommerhalbjahr an Wochenenden und an den Abenden die Terrasse und die nähere Umgebung des Turmbergs stark frequentiert. Diese Frequentierung nimmt mit den prognostizierten Fahrgastzahlen weiter stark zu. Hierdurch werden Konflikte aufgrund der großen Besuchszahlen wahrscheinlicher, insbesondere im Parkraum, sowie auf der Straße vor der Terrasse, die u. a. als Abstellplatz für Motorräder genutzt wird.  

zu Ziffer (3) Ein weiterer wesentlicher Schutzzweck ist nach Ziffer 3 der Schutz des Landschaftsbildes. Die anvisierte natürliche Natursituation würde sich weiter in Richtung einer anthropogenen Überprägung verschieben. Es wäre zu befürchten, dass sich durch weitere Bauwerke und den einfacheren Zugang zum Turmberg das Gleichgewicht innerhalb des Landschaftsschutzgebiets verschiebt.

In Summe wäre zu befürchten, dass die Schutzzwecke des Landschaftsschutzgebiets massiv beeinträchtigt werden könnten. Ohne eine Bewertung der negativen Auswirkungen auf das Landschaftsschutzgebiet sowie ohne Festschreibung von Minimierungs- und Kompensationsmaßnahmen kann das Bauvorhaben in der jetzigen Fassung nicht durchgeführt werden. Hinsichtlich des Verfahrens halten wir die vorliegende Planung ohne Verknüpfung mit Maßnahmen zur Beschränkung der negativen Umweltauswirkungen durch den Besucherverkehr (insbes. MIV) für nicht abwägungsfehlerfrei.  

Erfahrungsgemäß reduziert sich der Individualverkehr nicht zwangsläufig, wenn der ÖPNV ausgebaut wird (vgl. KEA et al. (2020): Kommunale Handlungsmöglichkeiten für nachhaltigere Mobilität – Positionspapier) Für eine Veränderung des Modal Split sind so genannte Push-Maßnahmen erforderlich. Aktive Maßnahmen zur Reduktion bzw. Kompensation der genannten Auswirkungen sind notwendig, wir schlagen deshalb vor:

  • Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf den Turmberg als Maßnahme für den Schutz des Landschaftsschutzgebiets. Durch die Turmbergbahn kann der Turmberg im Nahverkehr und barrierefrei erreicht werden, so dass die Erreichbarkeit für alle Menschen gegeben ist. Parkplätze für MIV (PKW, Motorrad, …) werden nicht mehr in dem vorhandenen Umfang benötigt. Die Einschränkung des MIV hat mehrere Vorteile: verbesserte Besucherlenkung durch erhöhte Nutzung des ÖPNV, weniger Lärm und Parkraumkonflikte erhöhen den Erholungswert, weniger MIV bedeutete weniger Emissionen im Landschaftsschutzgebiet und damit auch mehr Klimaschutz. 
  • Aufstellen von Informationstafeln über das Landschaftsschutzgebiet und dessen Zwecke mit dem Ziel Sensibilisierung. Nicht alle Menschen sind sich bewusst, in einem Landschaftsschutzgebiet zu sein.
  • ausreichend Abfallbehältnisse mit regelmäßiger Leerung

Weitere Hinweise

In Hinblick auf die Verkehrsbelastung sei noch ergänzt: Zum Ärger der Anwohner Reichardstraße/Jean-Ritzert-Straße bis in den Bereich des Rittnerthofes treffen sich nicht selten und in der Regel abends sog. "Autoposer" und Biker auf dem Turmberg, den Kennzeichen nach sogar
aus der Pfalz und dem Raum Stuttgart, um dort mit röhrenden Motoren und überhöhter Geschwindigkeit ihrem abstrusen Hobby zu frönen. Dadurch kommt es u. U. zu gefährlichen Situationen insbesondere im Bereich des Spielplatzes am Schützenhaus, der im Sommer bis in die späten Abendstunden genutzt wird. Eine drastische Reduzierung des Autoverkehrs ist also schon derzeit überfällig.
 
In den Unterlagen werden die klimaschädlichen Emissionen, die durch den Bau der Turmbergbahn entstehen, nicht berücksichtigt. Diese so genannte Graue Energie beinhaltet insbesondere die Entsorgung der rückzubauenden Bauwerke und Herstellung und Transport der Baustoffe für den Neubau. Die dabei entstehenden CO2-Emissionen lassen sich für solche Sonderbauwerke ohne genaue Kenntnis der eingesetzten Materialien und des Bauverlaufs kaum exakt abschätzen, könnten aufgrund des hohen Einsatzes von Beton und Stahl für Trasse, Stationen und Unterführung jedoch bei mehreren 10.000 t CO2 liegen. Eine Kompensation ist derzeit nicht rechtlich geregelt, jedoch könnte durch eine Einschränkung des MIV die Klimabilanz deutlich verbessert werden.  

 Weitere Hinweise zu Vogelschlag an den Glasfassaden. Anbringen von Folien mit Vogel-Silhouetten sind wenig nützlich, da diese zu wenig Fläche bedecken. Ebenso sind UV-Markierungen nicht ausreichend wirksam, da eine Reihe von Vogelarten kein UV-Licht wahrnehmen kann. Das Muster muss als „hochwirksam“ deklariert sein. Die Farben Schwarz, Weiß, Rot oder Orange wirken am besten; Handflächenregel: Zwischen den einzelnen Elementen/Linien dürfen maximal 10 Zentimeter Abstand sein, bei horizontalen Linien noch weniger, damit auch kleine Vögel nicht glauben, sie könnten hindurchfliegen. Siehe auch Vogelschlag an Glas - BUND NRW

Es sei auch darauf hingewiesen, dass der Turm und seine Umgebung regelmäßiges Revier des Turmfalken (Jagdrevier und Standquartier) sowie vermutlich des Uhus (mehrere bestätigte Nachweise durch Verhören und Sichtungen in den vergangenen beiden Jahren) sowie des Waldkauzes sind. Durch den erhöhten Besucherdruck sowie die damit verbundenen Störungen wird das Revier für diese Arten weiter entwertet (was nach Installation des Kletterparks schon stattfand) und auch eine evtl. Ansiedlung verhindert. Es ist zu erwarten, dass nicht nur der unmittelbare Höhenbereich, sondern auch die Verbindungswege in der weiteren Umgebung entsprechend beunruhigt werden.  
Gleiches gilt für die geplante Ansiedlung des Mauerseglers am Turm. Hierzu erfolgte bereits im vergangenen Jahr eine konkrete Absprache mit dem AUA (Frau Neumann) mit dem NABU zwecks Anbringung von Nistkästen nach Abschluss der Renovierungsarbeiten.

Als Kompensation für die 33 Bäume, die dem Neubau weichen müssen, möchten wir anregen,
diese lokal im Planungsgebiet anzupflanzen.  

Wir begrüßen die Anlage der Magerwiesen und möchten hier weiter anregen, Nistplätze für Sandbienen vorzusehen, indem kleine Flächen freigehalten werden.  

Wir gehen davon aus, dass eine ökologische Baubegleitung die Baumaßnahmen begleitet.

April 2023