Ortsverband Karlsruhe

Stellungnahme zum Bebauungsplan „Kriegsstraße, Ettlinger Straße, Hermann-Billing-Straße und Badenwerkstraße – Am Festplatz“, Karlsruhe-Südweststadt

Zur Planung allgemein

Die weiteren angeführten Nutzungsmöglichkeiten wie Verwaltungs- und Büronutzung, Gastronomie, Kultur, soziale, kirchliche und sportliche Einrichtungen sind allesamt vage und ohne nachvollziehbaren Bedarf aufgeführt. Insbesondere die Errichtung weiterer Büros - noch dazu in einer Zeit von mehr Homeoffice-Arbeitsplätzen - wirft die Frage auf, wieviel Büroflächen in Karlsruhe jetzt schon leer stehen? Das angeführte Ziel einer Quartiersbelebung durch unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten wird durch weitere Büroflächen gerade nicht erfüllt, hier wären Wohnmöglichkeiten z.B. für Studierende weitaus zielführender und notwendiger.

Minimierung CO2-Emissionen: Sanierung statt Abriss des Hochhauses

Der Abriss der bestehenden Gebäude und der Neubau wird so wie aktuell geplant aufgrund der benötigten Energie für Baustoffe (Graue Energie) erhebliche Mengen an CO2 freisetzen. Die mit dem Bauvorhaben verbundenen CO2-Emissionen tragen zur Erderwärmung bei und konterkariert die Anstrengungen Karlsruhes, Klimaneutralität zu erreichen. Es ist zu hinterfragen, ob das Bauvorhaben nicht viel zu groß dimensioniert ist: werden tatsächlich 70.000 m² Geschossflächen benötigt? Dies ist fast viermal so viel wie die derzeitige Fläche von ca. 20.000 m².

Es ist nicht zu bezweifeln, dass Bauvorhaben immer CO2 negativ sind, insbesondere solche für die in klassischer Bauweise, also vorwiegend aus Beton, Stahl, Aluminium, Glas hergestellt werden. Alleine in den benötigten massiven Fundamenten eines Hochhauses stecken immense Mengen an Beton. Der BUND kritisiert in diesem Verfahren vor allem, dass bei der vorliegenden Planung und in dem damit verbundenen Bebauungsplan nicht einmal ansatzweise der Versuch ersichtlich ist, die CO2 Bilanz zu verbessern. Die Chance, durch den Erhalt des Hochhauses CO2-Emisionen in einer Größenordnung von geschätzten 20.000 t zu vermeiden, wird nicht genutzt. Dieses Einsparpotential ist größer als viele Maßnahmen des Klimaschutzkonzeptes der Stadt. Laut Konzept dürfen im Jahr 2030 nur noch ca. 1.1 Mio. t CO2 freigesetzt werden. Alleine dieses Bauvorhaben (Abriss und Neubau) schlägt mit geschätzt 70.000 t zu Buche.

Der BUND fordert die Stadtverwaltung auf, darzustellen, wie dieses Bauvorhaben mit den Klimazielen vereinbar sein soll und – im Falle der Unvereinbarkeit – eine entsprechende Neuplanung vorzunehmen.

Klimaneutrale Bauweise

Weiterhin sind in den Unterlagen keine Festsetzungen zu klimaschonender Bauweise zu finden. Insbesondere bei öffentlichen Bauvorhaben sollte die Stadt hier eine Vorbildfunktion einnehmen und Gebäude so bauen und betreiben, dass die Emissionen so gering wie möglich gehalten werden. Hierzu zählt die Vermeidung von Baumaterialien, die große Menge an CO2 bei der Herstellung freisetzen (Beton, Stahl, Aluminium) und der Einsatz von klimaschonenden Baumaterialien (Holz). Mittlerweile sind Hochhäuser in Holz- oder Holz-Hybridbauweise keine Ausnahmen mehr (https://www.holzbauwelt.de/objekttypen/holzhochhaeuser.html), ein Vorbild wird in Pforzheim gerade erstellt (https://carl.arlinger.de). Eine klassische Planung öffentlicher Gebäude ohne Berücksichtigung des CO2 Einsparpotentials im Jahr 2023 ist unverantwortlich gegenüber den zukünftigen Generationen und zementieren das Weiter-So im Bauwesen.

Der BUND fordert die Stadtverwaltung auf, jegliche Maßnahmen zu ergreifen, um die CO2-Emissionen schon während der Bauphase zu minimieren und dies auch textlich festzusetzen.

Baumfällungen

Für das Vorhaben werden 33 große und erhaltenswerte Bäume gefällt, als Ersatz sind 40 Neupflanzungen vorgesehen. Da 40 junge Bäume in ihrer klimatischen Wirkung sowie der Habitatfunktion für die Fauna in den ersten Jahrzehnten vernachlässigbar sind gegenüber dem Baumbestand, regt der BUND an, als Kompensation weitere Bäume ggf. auch an anderer Stelle im Stadtgebiet zu pflanzen. Dies sollte im Sinne des Biodiversitätskonzepts sowie zur Verbesserung des Stadtklimas auf freiwilliger Basis geschehen, da in diesem Verfahren ja auf einen Umweltbericht verzichtet wurde.

Oberflächenwasser

Die Versiegelung im Baugebiet nimmt um knapp 0,5 ha zu. Die Flächen zur Versickerung von Regenwasser stehen noch nicht fest und können nicht beurteilt werden. Der BUND weist darauf hin, dass die Flächen ausreichend groß geplant werden sollten, um die Grundwasserneubildung nicht zu verschlechtern.

Abrissarbeiten und Schutz

Der BUND kritisiert, dass die Abrissarbeiten bereits in Gange sind, während die Festsetzungen zum Schutz von Vögeln noch erarbeitet werden.

Gibt es eine Ökologische Baubegleitung? Welche Ergebnisse wurden dabei erzielt? Wie und wann wurde die Präsenz von Fledermäusen und gebäudebrütenden Vogelarten (incl. Quartiere / Brutplätze) erfasst?

Vogelschlag / Beleuchtung / Artenschutz

In Hinblick auf die Vorgaben zu Vogelschutz an Glas und zur Beleuchtung sind die nachfolgenden Leitfäden heranzuziehen und konkrete Vorgaben verbindlich festzusetzen:

  • Leitfaden „Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht“ in seiner aktuellen Auflage (2022)1
  • Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen: Anforderungen an eine nachhaltige Außenbeleuchtung (BfN Schriften 543)2

Warum eine Fassadenbeleuchtung notwendig sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Sie trägt zur Lichtverschmutzung bei, ist kontraproduktiv für den Insektenschutz und die Energieeinsparung und wird deshalb von uns abgelehnt.

Insbesondere bei Abbrucharbeiten im Dachbereich, ist u.E. ein entsprechender Experte hinzu zu ziehen. Beispielsweise Zwergfledermäuse nutzen auch oft Quartiere an unerwarteten Stellen.

Drei Nisthilfen für Nischenbrüter erscheinen als lächerlich wenig für ein Gebäude von diesen Ausmaßen und vermutlich die kleinstmögliche Anzahl, die angebracht werden muss. Im Biodiversitätskonzept der Stadt ist unter M-3a-8 festgehalten, dass bei Neubauten Einbaukästen und architektonische Lösungen zur Bereitstellung von Brutplätzen (z.B. Mauersegler, Sperlinge) gefördert werden sollen. Wir halten die Anbringung von 20 Brutplätzen für eine angemessen Zahl.

Februar 2023

1 https://vogelglas.vogelwarte.ch/assets/files/broschueren/Glasbroschuere_2022_D.pdf

2 https://www.bfn.de/publikationen/bfn-schriften/bfn-schriften-543-leitfaden-zur-neugestaltung-und-umruestung-von