Stellungnahme zum Bebauungsplan „Kriegsstraße, Ettlinger Straße, Hermann-Billing-Straße und Badenwerkstraße – Am Festplatz“, Karlsruhe-Südweststadt
Nutzungsspektrum
Der Angebotsbebauungsplan geht weit über die bisherige Nutzung als Landratsamt hinaus. Die aufgezählten Möglichkeiten wie z.B. Gastronomie, Kultur, kirchliche, soziale, gesundheitliche und sportliche Einrichtungen sorgen dafür, dass die zukünftige Nutzungsfläche nahezu vervierfacht wird. Die Gemeindeordnung enthält in § 91 die Aussage, dass „die Gemeinde … Vermögensgegenstände nur erwerben [soll], wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist“. Wir fragen, ob diese Regelung für den Landkreis nicht gilt? Die angedachten Nutzungen sind nicht zur Erfüllung der Aufgaben des Landkreises erforderlich. So tritt der Landkreis unseres Erachtens hier als Investor auf mit dem Ziel, gewinnbringend vermieten zu können und setzt dafür Steuergelder ein.
In Hinblick auf die Schaffung von neuem Büroraum möchten wir auf den insbesondere seit der Corona-Pandemie ausgeprägten Trend verweisen, dass es im Interesse sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern liegt, Homeoffice zu ermöglichen und zu praktizieren. Abgebildet erscheint dieser Trend auch in folgenden Zahlen: Die Büroflächenleerstandsquote in den 12 Oberzentren, zu denen Karlsruhe gehört, ist laut Statista von 4,2% (2021) auf 4,4% (geschätzt 2023) gestiegen. 1
Und gerade in Karlsruhe sind u.a. am Hauptbahnhof Süd zuletzt noch große Bürogebäude entstanden. So stellt sich die Frage, auf welche Bedarfsanalyse sich die Errichtung weiterer Büro-räume stützt, noch dazu mit dem wenig realistisch erscheinenden Ziel, den Platz zu beleben.
Die angestrebte zusätzliche Nutzung führt letztendlich zu einem überdimensionierten Bau, der mitten in der sich immer mehr erhitzenden Innenstadt für noch mehr Hitze sorgen wird. Seltsam mutet die Feststellung des Stadtplanungsamtes an, dass sich diese weitere Verdichtung „in den vorhandenen hoch verdichteten städtebaulichen Kontext“ einfügt. Aus dem Vorsorgegedanken für die Gesundheit der Bevölkerung heraus wäre es geradezu verpflichtend, die Verdichtung nicht noch weiter zu erhöhen.
Begrünung
Wir stellen weiterhin fest, dass mit dem Verlust zahlreicher großer Bäume gegen die Grünsatzung als Baustein in der Klimaanpassungsstrategie der Stadt Karlsruhe verstoßen wird. Deren Ziel ist es, die Hitzebelastung im Sommer bei einer weiter steigenden Erwärmung zu reduzieren und damit erträglich zu halten. Dies kann weder durch das Nachpflanzen junger und damit kleiner Bäume noch durch etwas Fassadenbegrünung ausgeglichen werden, zumal im Baumgutachten vorgegeben wird, dass die Wuchshöhe der Bäume begrenzt sein soll. Die Grünsatzung der Stadt Karlsruhe sieht ausdrücklich vor, dass Frei- und Grünräume als kühlende Inseln in einer überwärmten Stadt „nachhaltig gesichert, weiterentwickelt und neu geschaffen werden“. Auch wenn die Mindestanforderung laut Baumsatzung eingehalten werden, fordern wir mehr, größere und klimaresistente Bäume, um überhaupt einen wirksamen Effekt zu erzielen.
Angegeben wird, dass innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche mit der Bezeichnung „WH 1“ Fassadenbereiche mit mehr als 80 m² zusammenhängender und fensterloser Wandfläche flächig mit Schling- oder Kletterpflanzen zu begrünen sind. Es ist völlig offen, wieviel Fläche das sein kann. Wir bitten um Angabe und Festsetzung der Flächen, die für die Fassadenbegrünung vorgesehen sind, um abschätzen zu können, ob hiermit ein signifikanter Beitrag zur Reduktion der Temperaturen geleistet wird. In den verfügbaren Visualisierungen des Landratsamts sind ausschließlich komplett verglaste Fassaden zu sehen. In der geplanten „grünen Mitte“ sollen vier Bestandsbäume stehen bleiben, ein weiterer am südlich gelegenen Zugang. Laut Presse vom Mai 2023 soll bis zur Fertigstellung des Neubaus dieses Areal als Baustelleneinrichtungsfläche - also für Baugerät, Material und Co. – genutzt werden. Wir weisen darauf hin, dass ohne Sicherungsmaßnahmen die Bäume diese Nutzung nicht überleben werden.
Artenschutz
Durch den Rückbau des Hochhauses kommt es zum Verlust eines Nistkastens für einen Wander-falken, der allerdings nicht als Fortpflanzungsstätte angenommen wurde. Der Nistkasten stellt bereits eine Ausgleichsmaßnahme für den Verlust einer Niststätte im Rathausturm dar. Die artenschutzrechtliche Prüfung empfiehlt einen Ersatznistkasten an einem geeigneten Ort im Stadt- bzw. Landkreis so zeitnah wie möglich anzubringen (z. B. hohe Bauwerke, Strommasten etc.). Davon ist in der Textfestsetzung nichts zu finden.
Nischenbrüter haben das bisherige Gebäude nur deshalb kaum angenommen, weil es entsprechend vogelfeindlich gebaut war. Wo soll der Biodiversitätsschutz herkommen, wenn dies nun als Ausgangsbasis genommen wird, um nur drei Nistkästen für Nischenbrüter anbringen zu lassen? Wir halten nach wie vor das Anbringen von 20 Brutplätzen (Haussperling, Hausrotschwanz, Mauersegler) für notwendig. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass aufgrund unserer Stellungnahme viele private Investoren der Empfehlung gern gefolgt sind, mehr Nistmöglichkeiten an-zubringen. Umso befremdlicher, dass sich eine öffentliche Verwaltung nur auf ein Minimum einlässt.
Klimaschutz
Die Verbände halten die Ausführungen der letzten Stellungnahme aufrecht und konkretisieren die Ausführungen zu CO2-Minimierung und Klimaschutz, auf die in der Antwort des Stadtplanungsamtes nur unzulänglich und völlig unkonkret eingegangen wurde.
Die Aussage der Stadtverwaltung „Im Hinblick auf die Klimaschutzstrategie des Landkreises mit dem ehrgeizigen Ziel „zeo-zweifrei 2035“ soll auch das geplante Vorhaben klimaneutral umgesetzt werden“ (Synopse ToeB S. 14) wird durch keinerlei konkrete Informationen und Bilanzen unterstützt, d. h. es ist für uns und auch für den Gemeinderat nicht nachvollziehbar, welche Menge an CO2 durch das Bauvorhaben freigesetzt werden wird. Grobe Schätzung lassen vermuten, dass dies bei 60 - 80.000 to CO2-Äquivalenten liegen dürften, und damit in einer Größenordnung, die das für Karlsruhe zur Verfügung stehende Budget drastisch vermindern wird. CO2-frei lässt sich ein solches Bauvorhaben nicht umsetzen; die oben zitierte Aussage ist schlichtweg falsch und dient offensichtlich nur zur Verschleierung von unbequemen Aspekten.
Der BUND fordert die Stadtverwaltung daher erneut auf, die CO2-Emissionen ermitteln, die bei Abriss und Neubau des Landratsamtes entstehen. Dies ist problemlos möglich, da die konkreten Unterlagen und Baupläne bereits vorliegen und Standardmethoden verfügbar sind, um CO2 Bilanzen zu erstellen. Auf Grundlage der Ergebnisse erwarten wir, dass die Stadtverwaltung darstellt, wie dieser Bebauungsplan mit den Klimazielen Karlsruhes vereinbar sein soll. Zudem erwarten wir, dass konkrete Maßnahmen zur Reduktion der baubedingten Emissionen im Bebauungsplan festgesetzt werden. Der Verzicht auf den Abriss des Hochhauses sowie die Reduktion der überdimensionierten Nutzungsflächen sehen wir als zielführende Möglichkeiten an. Ein Verweis auf die zukünftigen geringeren Betriebsemissionen ist dabei weder ausreichend und noch zutreffend, denn die durch den Bau entstehenden Emissionen sind zu diesem Zeitpunkt bereits in der Atmosphäre und heizen das Klima weiter an. Jede kWh Energie bzw. Tonne CO2, die beim Bau eingespart wird zählt für Karlsruhes Klimabilanz. Wir zitieren aus der Klimaschutzstrategie „zeo-zweifrei 2035“ des Landkreises Karlsruhe: „Jede nicht benötigte Kilowattstunde Energie reduziert den CO2-Ausstoß direkt und senkt den Bedarf, der zukünftig aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden muss“ iund appellieren an Stadtverwaltung und Landkreis, ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.
Besonnung/Beschattung (Schutzgut Mensch)
Aus der Besonnungsstudie geht hervor, dass zum Stichtag 21.3. einzelne Wohnungen in der Badenwerkstraße Nr. 3 und Nr. 5 nach Umsetzung der Planung nur noch lediglich zwischen 11 und 12 Uhr besonnt werden, anstelle wie aktuell den ganzen Vormittag. Die nach Nordwest ausgerichteten Fassaden der Beiertheimer Allee Nr. 1- 9 werden hingegen überhaupt nicht mehr besonnt. Die Abbildung für den Bestand auf Seite 19 (oben) des Gutachtens ist u.E. falsch, denn aktuell werden die nordwestlichen Fassaden zwischen 16 Uhr und ca. 17:30 Uhr besonnt (siehe Seiten 14-16 Bestand), d. h. die Dauer beträgt also ca. 1.5 h, was nach DIN EN 17037 einen ausreichenden Zeitraum darstellen würde. Insgesamt wird die Situation mit dem Neubau ungünstiger und führt für die kritischen Wohnungen (blau, gelb) auf S. 17 zu einer Einordnung in eine schlechtere Kategorie für Besonnung nach DIN EN 17037 im Vergleich zur Bestandssituation.
Dieser Sachverhalt ist im Gutachten so nicht dargestellt (S. 18) und wir möchten die Stadtverwaltung bitten, die offensichtliche Diskrepanz zwischen Abbildungen und Aussage aufzuklären und für diese Wohnungen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Entwässerung/Versickerung
Die Versiegelung im Baugebiet nimmt um knapp 20% bzw. 0,5 ha zu. Teile des anfallenden Regenwassers sollen laut Entwässerungskonzept direkt in das Entwässerungsnetz eingeleitet wer-den und nicht – wie im WHG §55 Abs. 2 vorgehen – lokal versickert, verrieselt oder in ein Gewässer geleitet werden. Der BUND hat bereits in der letzten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Versickerungsflächen ausreichend groß geplant werden sollten, um die Grundwasserneubildung zu verbessern. Die Planung entspricht somit nicht dem WHG und wir fordern die Stadtverwaltung auf, eine vorbildliche, regelkonforme Behandlung des Niederschlagwassers einzufordern.
Fassaden- und Außenbeleuchtung
Eine verheerende Präzedenzwirkung geht von den bisherigen Festsetzungen in Hinblick auf das Ziel des Energiesparens wie die Biodiversitätskrise aus. Weiterhin ist eine Fassadenbeleuchtung nicht verbindlich ausgeschlossen. Auch der Verweis auf spätere Baugenehmigungsverfahren – ohne Beteiligung der Umweltverbände – heilt diese Mangel nicht. So können sich Bürger*innen die Fragen stellen, wie öffentliche Appelle zum Energiesparen und zum Insektenschutz zu werten sind, wenn gleichzeitig beim Bau eines neuen Landratsamts die eine Fassaden- und Außenbeleuchtung zulässiger Teil der Planung bleiben soll.
Verringerung von Vogelschlag
Im Gegensatz zur Fassaden- und Außenbeleuchtung scheint das Vorhaben der Vorbildfunktion der Öffentlichen Hand in Bezug auf die Verringerung von Vogelschlag durch geeignete, konkrete Festsetzungen gerecht zu werden. Dies muss allerdings dann im Falle einer Fortführung der Planung und eines Baus gewährleistet werden.
Sonstiges
Weiterhin bemängeln wir die mindestens irreführende Darstellung der Ausmaße des Gebäudes in den Visualisierungen, welche in den Veranstaltungen gezeigt sowie in den BNN abgedruckt wurden. Hier wird suggeriert, dass der Durchgang zur Grünen Mitte aus Richtung Ettlinger Tor noch sichtbar ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Abmessungen aus den Planzeichnungen zugrunde gelegt werden. Wir erwarten, dass vor der Abstimmung im Gemeinderat der Öffentlichkeit korrekte Visualisierungen präsentiert werden.
Juli 2023
1 de.statista.com/statistik/daten/studie/173735/umfrage/leerstand-der-buerogebaeude-in-den-12-oberzentren-in-deutschland-seit-2009/