Ortsverband Karlsruhe

Bebauungsplan "Oberer Säuterich" in Karlsruhe, Durlach-Aue

Stellungnahme

Die Umwelt- und Naturschutzverbände stehen dem geplanten Bebauungsplan weiterhin sehr kritisch gegenüber. Wir erkennen die Qualität der Planung mit vielen guten Ansätze an und begrüßen die umfangreichen Gutachten. Trotzdem verbleiben etliche Risiken, insbesondere in Bezug auf Artenschutz und Klima: den „Rote-Liste-Arten“, bzw gefährdeten Arten Klappergrasmücke, Bluthänfling, Star und Neuntöter sowie Eidechsen und Wechselkröten gehen wertvolle Lebensräume verloren; die Kaltluftproduktion und -leitung wird durch die nicht angepasste Bebauung reduziert. Die Höhe des Eingriffs in die Natur durch den B-Plan zeigt sich in den erforderlichen Kompensationsmaßnahmen, die extern – also außerhalb des Planungsgebiets - notwendig werden.

Konkret fordern wir um Nachbesserung, bzw. die Berücksichtigung folgender Aspekte:

Artenschutz

Fledermäuse

Die faunistischen Erfassungen vom November 2020 enthalten als neue Daten nur eine Baumkartierung (potenzielle Quartiere). Die dort genannten Ergebnisse von 2013 fehlen.
Eine abschließende Stellungnahme zur Tiergruppe Fledermäuse ist ohne diese ursprünglichen Erhebungen nicht möglich. Die Gesamtschau der Ergebnisse sollte dargestellt werden, so dass damit auch eine Gesamtbeurteilung möglich ist.

Eine Funktion des Planungsraums für die abendliche Wanderung von Fledermausarten vom Bergwald zum Oberwald über Feldgehölze und Gehölzzüge am Ortsrand von Aue, wobei die Gehölzzüge im Planungsgebiet eine Verbindung darstellen, kann unseres Erachtens nicht ausgeschlossen werden.
Es sei darauf hingewiesen, dass auch die Zerstörung von Raumbeziehungen zwischen Teilhabitaten artenschutzrechtlich als erhebliche Störung angesehen wird, nämlich dann, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 BNatSchG).
Es fällt auf, dass die Liste der Fledermausarten erstaunlich artenarm ist.

Wildbienen

Die Naturschutzverbände BUND, LNV und NABU haben im Hinblick auf das dramatische Insektensterben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 30.09.2019 gefordert, dass im neu zu erstellenden Fachbeitrag die Artengruppe der Wildbienen ergänzend aufgenommen wird. Dieser Appell wurde nicht berücksichtigt. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass es kaum eine Tiergruppe gibt, die für unsere Lebensgrundlagen von so herausragender Bedeutung ist wie die Wildbienen.
In den Jahren des Monitorings der CEF-Flächen bleibt Zeit, die geforderte Erhebung nachzuholen.

Avifauna

Im Umweltbericht vom Nov. 2021 steht auf Seite 57 „Die Durchführung von CEF-Maßnahmen im Vorfeld der Bebauung ist für diejenigen Vogelarten erforderlich, die durch einen Brutplatz- bzw. Revierverlust betroffen sind (hier: Bluthänfling, Klappergrasmücke, Neuntöter und Star). Mit dem Ziel, die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin zu erfüllen, sind Flächen speziell für diese Arten entsprechend aufzuwerten.“
Wortgleich steht die Beschreibung der CEF-Maßnahmen für die Avifauna schon in der faunistischen Bestanderfassung von Nov. 2020 (S. 28). Diese sehr abstrakt und allgemein formulierten Aufwertungsvorgaben für die Avifauna wurden bisher nicht konkretisiert. Weder flächenmäßig noch die Art der Aufwertung.

Ohne ein solches konkretes Konzept (im Vorfeld der Bebauung) können wir zu den CEF-Maßnahmen der Avifauna keine Stellung nehmen.

Während bei der faunistischen Bestandserfassung zumindest für den Neuntöter ein externer Ausgleich gefordert wird (S.28), bleibt offen, wie der Ausgleich für den stark gefährdeten Bluthänfling (potenziell 3 Brutplätze/ASP-Art!) erfolgen soll. Schwer vorstellbar, wie der Ausgleich innerhalb des Plangebietes realisiert werden soll. Auch über den Ausgleich für die Klappergrasmücke wird nichts ausgesagt. Damit bleiben die Fragen „wo und wie“ letztlich offen.

Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass offenbar nicht die bisherige Wertigkeit der genannten CEF-Flächen geprüft wurde. Wir weisen darauf hin, dass auf der externen Fläche südlich des Rückhaltebeckens (Gewann „in den Frauenäckern“) in den letzten Jahren sowohl vom Neuntöter als auch vom Bluthänfling ein Brutstandort liegt. Unsere Beobachtungen wurden im Rahmen des PEPL-Entwurfs für das LSG Oberwald-Rißnert bestätigt. Dort wird in diesem Bereich von einem Brutverdacht (Neuntöter) und einem Revier des Bluthänflings gesprochen. Wir brauchen also (um bei diesem Beispiel zu bleiben) einen „Ersatz für den Ersatz“.
Die Aussage auf S. 28 der faunistischen Bestandserfassung von Nov. 2020 (drittletzter Abs.): „Auch die für Zauneidechse und Wechselkröte vorgeschlagenen Maßnahmen verbessern die Habitat- und Nahrungssituation vieler Vogelarten“, wird dadurch zumindest fragwürdig. Ob der Neuntöter bei der CEF-Fläche südlich des Rückhaltebeckens (für die Wechselkröte) nach Umgestaltung für die Wechselkröte dort noch brüten wird, hängt maßgeblich an der Art der Umgestaltung und ob beispielsweise noch die erforderlichen Gehölzstrukturen vorhanden sind.“

An einigen Stellen möchten wir auf u.E. erforderliche redaktionelle Korrekturen/Ergänzungen hinweisen: Beispielsweise sind im Umweltbericht vom 18.11.21 in Tabelle 7 S. 38 bei den Rote-Liste-Arten BW der stark gefährdete Bluthänfling nicht aufgeführt und Feld- und Haussperling nur auf der Vorwarnliste geführt. Auch sei ergänzt, dass der Rotmilan bundesweit ebenfalls nur in der Vorwarnliste geführt wird.

Schwer vorstellbar erscheint uns, dass im Plangebiet keine Goldammern (bundes- wie landesweit Vorwarnliste) vorkommen sollen.

Wechselkröte

Um insgesamt die Gefährdung dieser Art und die Bedeutung im vorliegenden Verfahren zu verdeutlichen, nachfolgende Übersicht:

  • FFH-Art (Anhang IV)

  • Art von gemeinschaftlichem Interesse

  • Art des Zielartenkonzepts Baden-Württemberg

  • Art des 111- Arten-Korbs

  • Rote Liste Baden-Württemberg Stufe 2, stark gefährdet

  • Rote Liste Deutschland Stufe 2, stark gefährdet

  • westliche Arealgrenze nördl. Oberrheingraben, dadurch besondere Verantwortung

  • besonders und streng geschützte Art

  • Amphibie des Jahres 2022

  • Population von überregionaler Bedeutung

  • einzige aktuell stabile Population im Raum Karlsruhe

  • größtes Vorkommen im Karlsruher Raum

  • eine der größten Vorkommen im Landkreis Karlsruhe

  • lokale / regionale Aussterbeprozesse

Zu Rote Liste Deutschland:

In der aktuellen bundesweiten Roten Liste erfolgte eine Hochstufung von „gefährdet“ auf „stark gefährdet“ (BfN /2020). Die aktuelle Bestandssituation wird geändert von der Kriterienklasse „mäßig häufig“ zu „selten“.
Die aktuelle bundesweite Rote Liste kommt in den Erläuterungen zum Ergebnis, dass die Wechselkröte damit zu den am stärksten rückläufigen und gefährdeten Amphibienarten Deutschlands zählt mit verbreiteten lokalen und regionalen Aussterbeprozessen.
Sämtliche Gutachten und sonstige Unterlagen sind im Hinblick auf die bundesweite Gefährdungsstufe zu berichtigen.

Zu Lokale / regionale Aussterbeprozesse:

Von ursprünglich über 30 Vorkommen im Karlsruher Raum (Mitte der Neunziger Jahre) sind aktuell nur noch 4 Restvorkommen vorhanden. Bei einer Population findet keine Reproduktion mehr statt, bei einer weiteren ist die Reproduktion fraglich, bei einer dritten ist die Reproduktion schwankend.

Die Ausführungen im Artkapitel der Wechselkröte der aktuellen bundesweiten Roten Liste sind so aufschlussreich und treffen die Situation im Karlsruher Raum so gut, dass wir daraus zitieren:

„Die Wechselkröte zählt aktuell zu den seltenen Amphibienarten Deutschlands. Die Bestandsentwicklung der Art ist äußerst kritisch. Der langfristige Bestandstrend zeigt einen starken Rückgang, der seit Jahrzehnten anhält und sich in einer massiven Ausdünnung der Rasterpräsenz, auch im Ostdeutschen Kerngebiet, widerspiegelt. Der in der Kriterienklasse „starke Abnahme“ eingestufte kurzfristige Bestandstrend wird – zusätzlich zum drastischen Landnutzungswandel – durch fortschreitende Urbanisierung, die großflächige Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten sowie Fischbesatz in zahlreichen Laichgewässern verstärkt.
Die Wechselkröte zählt damit zu den am stärksten rückläufigen und gefährdeten Amphibienarten Deutschlands mit verbreiteten lokalen oder regionalen Aussterbeprozessen. Verschärfend wirken sich direkte menschliche Eingriffe und die zunehmende Fragmentierung der Vorkommen aus.
Damit sich die Gefährdungssituation der Art nicht verschärft, müssen Naturschutzmaßnahmen dringend fortgesetzt oder neu ergriffen werden“.

Als Gefährdungsursachen werden im Artkapitel der Roten Liste u.a. genannt:

  • Beseitigung und Entwertung von Kleingewässern, Nassstellen sowie anderen Strukturelementen in der Agrarlandschaft

  • Düngung und Einsatz von Pestiziden im Umfeld der Laichgewässer

  • sukzessionsbedingter Verlust von Laichgewässern und Rohböden im Landhabitat • Fischbesatz in Teichen

  • starke Rückgänge im Siedlungsbereich, vor allem durch Bauaktivitäten mit der Folge von Lebensraumverlusten im urbanen und suburbanen Raum

Restpopulationen und bisherige Umsetzungen

Mitte der Neunziger Jahre gab es im Karlsruher Raum noch über 30 Vorkommen der Wechselkröte. Diese Vorkommen haben sich dramatisch reduziert, so dass aktuell nach unserer Kenntnis nur noch vier Vorkommen existieren. Neben der größten und stabilsten Population im Plangebiet sind dies ein kleines Vorkommen in Rüppurr, ein Vorkommen im Gleisbahnhof und eine Population im City-Park Südost. Die beiden letztgenannten Vorkommen stammen aus Umsetzungen. Bei der kleinen Rüppurrer Population ist nach Aussagen von NABU-Aktiven die Reproduktion fraglich. Beim Vorkommen am Gleisbahnhof findet keine Reproduktion mehr statt. Die Umsetzung ist demnach als gescheitert anzusehen. Die Population im City-Park Südost hat mit Problemen zu kämpfen (Einsetzen von Fischen und invasiven Krebsen). Die Populationsgröße schwankt. Ohne ein jährliches Abfischen der eingesetzten Fische und Kontrolle von Krebsen wäre es fraglich, ob die Population noch bestünde bzw. reproduzieren würde. Damit bleibt die Population von intensiven und dauerhaften Schutzmaßnahmen abhängig. Leider haben wir Hinweise, dass im City-Park aktuell wieder Goldfische eingesetzt wurden.

Dazu passen Aussagen des landesweit renommierten Amphibienkenners und Rote-Liste-Autoren Hubert Laufer:
„Umsiedlungsmaßnahmen der Art verlaufen selten positiv. Bei einer Aktion im Jahr 1983 wurden aus der Lehmgrube Winnenden rund 200 Wechselkröten in einen Steinbruch im Schurwald eingesetzt. Im folgenden Jahr konnte dort jedoch kein Exemplar mehr beobachtet werden. (Thurn et al. 1984).
Klemens Fritz / mündl. Mitteilung: „Um- und Ansiedlungsversuche zur Stabilisierung der vermutlich letzten südbadischen Population im Raum Freiburg schlugen fehl“.

Die größte Population im Karlsruher Raum im Oberen Säuterich wird seit 2014 sowohl von der LUBW als auch vom Umweltamt der Stadt regelmäßig jährlich begutachtet und kontrolliert. Sie ist stabil geblieben.

Bei einer Umsetzung der vorliegenden Planung (Bautätigkeit) ist eine intensive Begleitung der Erschließung als unabdingbar anzusehen, da zu erwarten ist, dass Baugruben und Temporärgewässer mit Wechselkröten besetzt sein werden. Umsiedlungen, Amphibienschutzzäune und ein flexibles Baustellenmanagement werden unerlässlich sein, um das Auslösen artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände zu vermeiden.

Konzeptionelle Vorschläge für Kompensationsmaßnahmen

Das ILN Bühl hat im Juli 2014 konzeptionelle Vorschläge für Kompensationsmaßnahmen gemacht, die entsprechend der Geeignetheit bewertet wurden.
Von den 7 Vorschlägen wurden 3 als „gut geeignet“ bewertet (Vorschläge 4-6), einer als „geeignet“ (Vorschlag 1) und 3 als „mäßig geeignet“ (Vorschläge 2,3 und 7). Als CEF-Flächen wurden nun keine der als „gut geeignet“ bewerteten Flächen vorgeschlagen.
Das ist nicht nachvollziehbar. Es werden vorgeschlagen die „geeignete Fläche“ (Vorschlag 1) und die als „mäßig geeignet“ bewerteten Flächen (Vorschläge 2 und 3) und die Fläche „Am Rainle“ (außerhalb der Vorschläge).

Zu den einzelnen Flächen:

Fläche 1: zwischen Friedhof Durlach-Aue und Stadtbahn

Diese interne CEF-Fläche wird begrüßt, obwohl sie nur als „geeignet“ bewertet wurde.
Es ist darauf zu achten, dass keine Barrieren für wandernde Kröten vorhanden sind (z.B. Gleisbereich Stadtbahn), dass für ausreichend Rohbodenanteil gesorgt wird und dass die geringe Störanfälligkeit bestehen bleibt.

Fläche 2: südlich Rückhaltebecken (Suchraum)

Die jetzt als 2. externe CEF-Fläche vorgeschlagene Fläche liegt außerhalb des Suchraums. Sie liegt unmittelbar vor der extrem stark befahrenen Südtangente und dem „Stachus“ (so wird die Zündhütle-Kreuzung im Volksmund genannt). Es gibt dort bis zu 8 Fahrspuren und eine zusätzliche Busspur (zentraler Busbahnhof). Hinzu kommt, dass die Straße „Schindweg“ tangiert. Dort gibt es auch eine Verkaufsbude mit an- und abfahrenden bzw. parkenden Autos (Spargel, Erdbeeren u.v.m.). Und dann kreuzt noch die Straßenbahn diesen Knotenpunkt. Die in der Vorschlagsbewertung kritisierte Nähe zu stark befahrenen Straßen wird durch diese Festlegung direkt an diesen Straßen vervielfacht.
Die weiteren Kritiken in der Bewertung von ILN gelten nach wie vor: „asphaltierter Weg wird als Zufahrt zu den Sportanlagen genützt“ und „hohe Störanfälligkeit (viele Spaziergänger)“.

Wenn diese Fläche einen Beitrag leisten soll (und nicht mit einem stark erhöhten Tötungsrisiko verbunden sein soll), dann ist sie so weit wie möglich von der Straße abzurücken. Ergänzend ist die bauliche Errichtung einer Amphibiensperre durch entsprechende Betonfertigteile ins Auge zu fassen. Auf sich fachlich aufdrängende Flächen, die immer wieder zu Vernässungen neigen, in etwas zur Kreuzung abgerückter Lage in diesem Bereich, wird hingewiesen.

Ohne entsprechende Maßnahmen (Abrücken plus ggf. Sperre, Nutzung hydrologisch/pedologisch geeigneter Flächen) ist die aktuell vorgesehene 2. externe CEF-Fläche abzulehnen.

Fläche 3: Grünfläche nördlich Lärmschutzwall

Die Naturschutzverbände haben bereits mit Stellungnahme vom 30.09.2019 diese Fläche aufgrund des Freizeitdrucks und auf Grund anderweitiger Erfahrungen (City-Park Südost) für ungeeignet eingestuft.
Sollte dieses Gewässer verwirklicht werden, kann man darauf warten, bis dort Fische eingesetzt werden.
Die Bewertung der Fläche hat sich gegenüber 2019 nicht verändert.

Flächen 4-6

Sie werden vom ILN als einzig „gut geeignet“ bewertet.
Dem wollen wir nichts hinzufügen, wobei wir doch eine gewisse Präferenz für die Fläche 4 sehen, da dort eine Baumschule und ein Gärtnereibetrieb tätig sind und Strukturen vorgefunden werden, die denen der Gärtnerei im Oberen Säuterich ähneln, nämlich Sand-, Kies-, Erd- und Steinhaufen. Offensichtlich werden diese Strukturen von den Wechselkröten gerne angenommen. Hinzu kommt, dass in der Fläche 4 nach Aufzeichnungen des Nabu Mitte der Neunziger Jahre die Wechselkröte noch vorkam.
Allen drei „gut geeigneten“ Flächen ist gemein, dass sie in einem großen Bereich liegen, der von Acker- und Gemüsebau geprägt ist, aber auch andere Strukturen (Wiesen, Streuobst, Kleingärten) und nur Wirtschaftswege vorkommen.

Fläche 7: Wiesen-/Weidefläche südöstlich Umspannwerk

Wir schließen uns der Bewertung von ILN an, dass die Fläche als mäßig geeignet bewertet wird. Zwischenzeitlich ist unmittelbar nördlich anschließend eine Tankstelle errichtet worden, die wohl die Fläche endgültig ausschließt.

Externe CEF-Fläche „Am Rainle“

Diese Fläche wurde vom ILN nicht vorgeschlagen.
Was wir bemängeln, ist die fehlende Bewertung bzw. faunistische Bestandserhebung vor Eingriff in die Fläche. Die Fläche war mindestens 6-7 Jahre Brachfläche. Eine solche junge bis mittlere Brache hat ihren großen Eigenwert. Zwischenzeitlich ist der größte Bereich der Fläche gemäht. Regelmäßig brüteten in den vergangenen Jahren dort Goldammer (Vorwarnliste), Dorn-, Garten- und Mönchsgrasmücke. Auch den Neuntöter haben wir dort immer mal wieder beobachten können. Ob eine Brut des Neuntöters stattgefunden hat, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Der stark gefährdete Feldschwirl war während des Zugs zu hören. Alle wertgebenden Arten müssen in der Eingriffs-Bewertung Berücksichtigung finden. Das ist in dieser Fläche auf jeden Fall die Goldammer (Art der Vorwarnliste) und potenziell der Neuntöter bzw. Feldschwirl. Noch folgenreicher wäre die bisherige Bewertung der aktuell vorgeschlagenen 2. externen CEF-Fläche südlich des Rückhaltebeckens. Dort sind der Neuntöter und der Bluthänfling Brutvogel. Das wird aktuell durch den vorliegenden PEPL-Entwurf bestätigt. (Brutverdacht Neuntöter, Revier Bluthänfling). Sollte diese 2. externe CEF-Fläche tatsächlich festgesetzt werden, ist ein Ausgleich für Bluthänfling und Neuntöter erforderlich (sozusagen der Ausgleich für den Ausgleich). Die Prüfung der aktuellen Wertigkeit gilt für alle Ausgleichsflächen.

Die Fläche im Gewann „Am Rainle“ ist durch Fußgänger und Radfahrer stark frequentiert. Auch Pkw fahren zu den naheliegenden Sportanlagen.

Die unmittelbar angrenzenden Grundstücke am Rainle werden von einem Landwirt bewirtschaftet, der offen für Pflegeverträge ist (Beiser, Wolfartsweier).
Dieser Hinweis erfolgt, weil Laichgewässer geschaffen werden, in deren Umfeld nicht gedüngt und keine Pestizide ausgebracht werden sollten.

Zusammenfassend ist zum Artenschutz zu bemerken:
Zielkonflikte zwischen der Erhaltung des Bestands auf den vorgesehenen Maßnahmenflächen und der Förderung vom Vorhaben betroffener Arten sind detailliert zu erheben, zu bewerten und artenschutzrechtlich zu bewältigen. Hierzu sind Arterhebungen erforderlich.
Auch sind Zielkonflikte zwischen den Maßnahmen für die einzelnen Arten festzustellen. Diese müssen planerisch so aufgelöst werden, dass für jede Art die entsprechenden rechtlichen und fachlichen Anforderungen erfüllt werden. Nachvollziehbarer Weise muss die Wechselkröte im besonderen Fokus stehen, dennoch sind auch geeignete und dauerhaft wirksame Maßnahmen für die Zauneidechse und die Avifauna zu planen, darzustellen und zu unterhalten.
Im Hinblick auf die Zauneidechse werden gewisse Synergien mit den Maßnahmen für die Wechselkröte gesehen. Eine ausreichende Gehölzkulisse (Zielkonflikt mit der Schaffung offener Bodenstellen und von Gewässern) wird dagegen für die betroffenen Vogelarten erforderlich sein.

Monitoring / Risikomanagement

Das Bundesamt für Naturschutz schreibt im Artensteckbrief Wechselkröte (Bufotes viridis) u.a. „Die Geschlechtsreife erreichen die Tiere meist erst nach dem dritten Winter“, d.h. Kaulquappen im kommenden Frühjahr werden dann erst im Frühjahr 2025 geschlechtsreif.
Das bedeutet, dass frühestens im Frühjahr 2026 im Rahmen des Risikomanagements eine Beurteilung des Erfolgs oder Misserfolgs einer Umsiedlung beginnt.
Daraus folgt nach unserer Auffassung, dass von mindestens vier Jahren Vorlaufzeit einer CEF-Maßnahme auszugehen ist.

Schlussbemerkungen

Es gibt durchaus gute Gründe, eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 (7) BNatSchG für die Wechselkröte für erforderlich zu halten. Um dies zu vermeiden, ist ein Maßnahmenkonzept vorzulegen und umzusetzen, das mit der erforderlichen Prognosesicherheit auch unter dem Einfluss von Unwägbarkeiten eine stabile Erhaltung der lokalen Population gewährleistet,
Unter dem Titel „Karlsruher Schätze bewahren“ veröffentlichte die Stadtzeitung am 23.12.2021 den Beschluss des Gemeinderats über ein Biodiversitätskonzept. Es wurde einstimmig verabschiedet und es bestand ebenso Einigkeit über die Bewahrung der Karlsruher „Schätze“. Sehr erschrocken zeigte sich das Gremium über die vielen bedrohten Pflanzen-, Tier- und Landschaftsarten. Neben der Bewahrung seltener Vogelarten, Fledermäusen und Reptilien hat die Stadt nun in einer Feuertaufe die Pflicht, die lokal / regional vom Aussterben bedrohte Wechselkröte zu bewahren und zu erhalten. Es genügt nicht, sehr erschrocken zu sein über eine Bedrohung, man muss auch danach handeln. Der Erhalt der Wechselkröte im Karlsruher Raum ist noch lange nicht gesichert.
Aus den Erfahrungen am City-Park Südost und am Güterbahnhof sind Lehren zu ziehen.
Das bedeutet aus unserer Sicht: Die besten Ausgleichsflächen sind gerade gut genug.
Für das im Biodiversitätskonzept 2021 empfohlene langfristige Monitoring melden wir die regional vom Aussterben bedrohten Wechselkröten aus Durlach-Aue jetzt schon an.

Streuobstschutz

Unzweifelhaft sind gemäß § 33a LNatSchG geschützte Streuobstbestände von der Planung betroffen. Ersatzflächen sind zu suchen und darzustellen.

Verlust von Böden und Vorrangflächen

„Bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen. In erster Linie sind produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen (PIK) umzusetzen und die für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeigneten Böden nur im geringstmöglichen Umfang in Anspruch zu nehmen“ (vgl. BNatSchG §15 (3))
Um Auskunft bitten wir: Wie wird der Verlust von landwirtschaftlichen Flächen kompensiert? Im B-Plan sind hierzu keine Ausführungen zu finden.
Den Ansatz von PIK-Maßnahmen unterstützen BUND, LNV und NABU grundsätzlich. Es muss hierbei jedoch gewährleistet sein, dass die dauerhafte Aufwertung des Naturhaushaltes (die Funktionalität der Maßnahmen) gesichert ist. Ohne Bereitstellung von Personalressourcen für die Erfolgskontrolle der üblicherweise auf immer wieder wechselnden Flächen umgesetzten Maßnahmen und die Beratung der Bewirtschafter*innen ist dies nach Auffassung der Naturschutzverbände nicht realistisch. Ebenso ist darauf zu achten, dass die gewählten Maßnahmen sich nicht als Ökopunktarithmetik, sondern als tatsächliche Aufwertung darstellen. Es sei auf die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen, dass jeweils nachzuweisen ist, dass sowohl Aufwertungsfähigkeit wie auch Aufwertungsbedürftigkeit gegeben sind.
Einzelne Maßnahmen, wie beispielsweise einjährige Blühstreifen, können sogar als Fallen wirken und somit zu erheblichen negativen Wirkungen für Arten führen.
BUND, LNV und NABU regen an, in die Etablierung des Werkzeugs der PIK-Maßnahmen in Karlsruhe einbezogen zu werden und sind bereit, die vorliegenden verbandlichen Erfahrungen einzubringen.

Verlust von Kaltluftproduktionsflächen

In Kap. 4.8 der Begründung wird ausgeführt, dass die Umsetzung des Bebauungsplans zu einem Verlust von Kaltluftentstehungsflächen mit sehr hoher Kaltluftproduktion führen wird und dass durch das Gebiet ein bedeutender Kaltluftstrom fließt. Es werden etliche Maßnahmen für eine klimagerechte Bebauung aufgelistet. Diese Maßnahmen erscheinen insofern sinnvoll, als dass sie lokal im Bebauungsgebiet ein möglichst angenehmes Klima schaffen können.

Diese Maßnahmen vermeiden oder kompensieren jedoch nicht den Verlust der o. g. Kaltluftflächen im Vergleich zur aktuellen Situation. Für die angrenzenden Wohngebiete in Durlach-Aue wird die Umsetzung des Bebauungsplans mit erheblichen negativen klimatischen Auswirkungen verbunden sein, da die Kaltluftproduktion erheblich eingeschränkt wird und durch die geplante Bebauung auch der Kaltluftstrom aus südöstlicher Richtung massiv unterbrochen wird. Die Klimafunktionskarte gibt für diese Fläche eine sehr hohe Kaltluftlieferung von über 1400 m³/s an. Durch die vorgesehene Bebauung mit Asphaltflächen entsteht eine Wärmeinsel, so dass die Kaltluftproduktion stark eingeschränkt wird.

Im Klimagutachten wird eine Verringerung des Kaltluftvolumens um mehr als 10 % in etlichen Flächen in Durlach-Aue prognostiziert, was nach VDI als hohe Auswirkung anzusehen wird. Allerdings werden laut Gutachten die Auswirkungen in Bezug auf die bioklimatische Belastung als geringfügig bewertet, d. h. es wird eine Verschlechterung akzeptiert, weil das Stadtgebiet Durlach-Aue bislang als klimatisch günstig eingeschätzt wird. Der Schwellenwert (10 %) wird damit einfach verbal wegargumentiert. So darf unserer Meinung nach Stadtplanung nicht aussehen, da es immerhin möglich gewesen wäre, durch eine optimierte Anordnung der Baukörper eine bessere Durchlüftung zu erhalten (dies wurde im Übrigen auch im Umweltbericht des FNP so gefordert). Die aktuelle Gebäudestellung und Freiträume sind nicht ausreichend, um eine effektive Durchlüftung sicherzustellen. Zudem fehlt unserer Meinung nach eine Einschätzung, ob diese Bewertung in 10 oder 30 Jahren, wenn sich die Prognosen der Erderwärmung bewahrheiten, weiterhin gilt oder ob durch die zusätzliche Bebauung der Bonus bereits aufgebraucht ist.

Klimaschutz und Energiekonzept

Bemerkenswert ist, dass in den Festsetzungen des B-Plans keinerlei Klimaschutzmaßnahmen zu finden sind (das Wort „Klima“ taucht im Text nicht einmal auf). Lediglich in der Begründung wird auf ein Energiekonzept hingewiesen. Hierin schließen die Stadtwerke nach Vorprüfung sowohl ein Nahwärmenetz als auch ein Arealstromnetz mit PV-Anlagen und Stromspeichern (E-Autos) aus Gründen von Unwägbarkeiten des Bebauungsplans aus. Als Ergebnis sollen alle Gebäude dezentral über Wärmepumpen beheizt werden und die Dächer großflächig mit PV-Anlagen ausgestattet werden. Auf einen Gasanschluss soll verzichtet werden.

Wir bezweifeln, dass diese Berechnung vollständig ist, denn im Energiegutachten fehlen komplett Angaben zu CO2-Emissionen während der Bauphase; es werden lediglich die Emissionen während des Betriebs berücksichtigt. Dabei sind die CO2-Emissionen während der Bauphase deutlich größer als während des Betriebs von gut isolierten Gebäuden. Da sich in den Unterlagen hierzu jedoch keinerlei Angaben befinden, nehmen wir an dieser Stelle eine sehr grobe Abschätzung der CO2-Bilanzen vor, um die Dimensionen zu verdeutlichen.

Die BGF wird mit ca. 63.000 m² angegeben. Der Energiebedarf für die Konstruktion von Neubauten hängt stark von der Ausstattung/Baumaterialien ab und wird grob zwischen 1000 und 2.000 kWh/m² Wohnungsfläche angegeben1. Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften setzen im Übrigen beim Bau sehr viel mehr CO2 frei als Mehrfamilienhäuser. Bei einer durchschnittlichen Freisetzung von 500 g CO2-Äquivalenten pro kWh Energie ergibt sich grob überschlägig eine durchschnittliche CO2-Emission von 40.000 to CO2, die alleine in der Bauphase dieses neuen Wohngebiets bei konventioneller Bauweise freigesetzt werden wird. Treiber sind u. a. Stahlbetonwände mit alleine 90 kg CO2 -Ä/m² Wandfläche.
Der Betrieb der KfW 40 Gebäude wird je nach Variante mit 330 – 560 to CO2-Ä/a angegeben, der durch den großflächigen Einsatz von PV-Anlagen noch weiter vermieden bzw. überkompensiert werden soll. Dies ist ein Bruchteil dessen, was in der Bauphase innerhalb kurzer Zeit freigesetzt wird, und daher kann von klimaschonender Bauweise nicht die Rede sein, solange nicht die konstruktiv bedingten Emissionen berücksichtigt werden. Diese Menge wird innerhalb von 2-3 Jahren Bauzeit freigesetzt und trägt damit einen erheblichen Teil zu den Karlsruher Emissionen bei (und ist deutlich höher als die meisten Einsparpunkte des Klimaschutzkonzeptes 2030). Die CO2-Freisetzung bei der Erstellung der Infrastruktur (Straßen, Leitungen, …) ist hierbei noch nicht berücksichtigt.
Die überschlägige Rechnung zeigt, dass 1. eine erhebliche Unterschätzung der tatsächlichen CO2-Emissionen vorliegt (das Bauvorhaben ist keineswegs klimaneutral) und 2. dass somit erhebliches Einsparpotential bei der Umsetzung in der Bauphase möglich ist. Der Einsatz ressourcenschonender Baumaterialien kann die CO2-Freisetzung erheblich reduzieren. Ein großes Energieeinsparpotenzial liegt z. B. in Holzkonstruktionen mit nachwachsenden Dämmstoffen mit einer Gutschrift von bis zu 20 kg CO2-Ä./m² Wandfläche. Hinweise, welche Maßnahmen hier zielführend sind, kann z. B. Prof. Dirk E. Hebel (Professur Nachhaltiges Bauen am KIT), die Deutsche Umwelthilfe und eine Vielzahl andere Vereinigungen geben.

Wir erwarten, dass der in Karlsruhe ausgerufene Klimanotstand und die daraus entstandene Verpflichtung, sämtliche CO2 Emissionen offen zu legen und zu bewerten, auch für dieses Projekt Gültigkeit besitzt. Der Gemeinderat als verantwortliche Instanz kann ohne eine detaillierte Angabe dieser Emissionen und den daraus entstehenden Wirkungen auf das Klima sowie auf das Klimaschutzkonzept 2030 diesem B-Plan nicht zustimmen. Die Durchführung der CO2-Ermittlung muss von einer Fachfirma unter Kenntnis der realen Planungsvorgaben vorgenommen werden.

Verkehr

Die Lage und die geplante Anbindung an das neue Wohngebiet der in Kap. 4. 4. 1 beschriebenen zusätzlichen Haltestelle für die Buslinie 47 geht nicht aus dem Bebauungsplan hervor. Wir regen hier eine entsprechende Festsetzung an.

Weitere Hinweise

Aufgrund der Lage der geplanten Bebauung im Siedlungsrandbereich ist den Aspekten der Vermeidung von Lichtverschmutzung besondere Bedeutung beizumessen. Hierbei sei auf LNV-Info 8/2021 zum „Schutz der Nacht“2 verwiesen.
Auch Festsetzungen zum Vogelschutz an Glas sind zu treffen, dies insbesondere, wenn an transparente Gestaltung von Lärmschutzeinrichtungen gedacht werden sollte.
Glas ist für Vögel unsichtbar. Sie sehen entweder hindurch oder nehmen nur eine Spiegelung der Umgebung wahr. Neben großflächigen Verglasungen stellen Eckverglasungen, (begrünte) verglaste Dachterrassen, gläserne Verbindungsgänge und -tunnel sowie (Lärm-) Schutzwände und Balkonverglasungen eine besondere Gefährdung dar, da diese in viel genutzten Flugschneisen von Vögeln liegen können. Dabei kann Glas in jeder Höhe eine Gefahr darstellen, da verschiedene Vogelarten unterschiedliche Flughöhen bevorzugen. Auch kleine Glasflächen oder Fenster können insbesondere durch Spiegelungen natürlicher Grünstrukturen eine Gefahr für Vögel darstellen. Das mit dem Vorhaben verbundene Kollisionsrisiko ist in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde zu beurteilen. Einem erhöhten Kollisionsrisiko ist durch Verwendung von vogelfreundlichem Glas gemäß der österreichischen Norm ONR 191040 (Kategorie A – hochwirksam) oder durch andere geeignete konstruktive Maßnahmen zu begegnen. UV-Markierungen sind nicht ausreichend wirksam, da eine Reihe von Vogelarten kein UV-Licht wahrnehmen kann. Ausführliche Informationen zum Thema Vogelschlag bieten beispielsweise die Broschüren Vogelschlag an Glas“3 des BUND NRW e.V. und „Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht“4 der Schweizerischen Vogelwarte Sempach.

Februar 2022

1 Energieaufwand für Gebäudekonzepte im gesamten Lebenszyklus, Abschlussbericht Umweltbundesamt 2019 (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/energieaufwand-fuer-gebaeudekonzepte ).

2 https://lnv-bw.de/wp-content/uploads/2021/08/08-2021-LNV-Info-Schutz-der-Nacht-Lichtverschmutzung.pdf

3 https://www.bund-nrw.de/themen/vogelschlag-an-glas/

4 Schmid, H., W. Doppler, D. Heynen & M. Rössler (2012): Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht. 2., überarbeitete Auflage. Schweizerische Vogelwarte Sempach. https://www.vogelwarte.ch/downloads/files/publications/upload2017/schmid_2012_voegel_glas_licht_de.pdf