Kritische Betrachtung des Mediationsverfahrens zum Bau eines neuen Forschungsgebäudes des Joint Research Centre (JRC) im Jahre 2011 von Harry Block
KIT- Nord ehemals Kernforschungszentrum Karlsruhe
Schmiede der Atomtechnik, Experten der Einbindung.
Erfahrungen aus vier Jahrzehnten Bürgerprotest und einer Mediation.
Inmitten eines Waldgebietes, etwa 10 km von Stadtzentrum von Karlsruhe entfernt, liegt der Atomforschungs-Komplex, in dem das Karlsruher Institut für Technologie (KIT-Nord), die Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe (WAK) und das Europäische Institut für Transurane (ITU) angesiedelt sind. Auf dem 2,5 Quadratkilometer großen massiv eingezäunten Gelände arbeiten heute rund 3500 Menschen.
An der Geschichte der Namensänderung des Zentrums kann man die Anpassungsfähigkeit der Atomwissenschaft in Deutschland gut nachvollziehen: über die Reaktorstation Karlsruhe zum Kernforschungszentrum Karlsruhe über das Intermezzo Forschungszentrum Karlsruhe zum Anhängsel der ehemaligen Universität Karlsruhe als KIT-Nord.
Ebenso wie aus dem „Plutonium-Institut“ 1957 das Institut für Transurane wurde.
In letzterem wurde bereits 1966/67 im großen Maßstab Plutonium 239 verarbeitet, dem giftigsten Stoff, den die Menschheit kennt. In diesen Jahren fertigte die ITU 2100 Brennstäbe für die französische Atomanlage Cadarache. Der Umfang dieses Auftrages zeigt, welche Kapazität und welches Know How in dieser Anlage stecken.
Das Atomzentrum Karlsruhe hat aufgrund seines Kerngeschäfts und Materials – neben Plutonium wird mit weiteren radioaktiven Stoffen wie Uran und Thorium hantiert – sozusagen von Haus aus besondere Anstrengungen zu leisten, um die Gefahr und Brisanz dieser Anlage herunterzuspielen und mit gezielten öffentlichkeitwirksamen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass es in der Bevölkerung ruhig bleibt.
Bereits Anfang der 80er Jahre begann man damit, die Effizienz diverser Einbindungsstrategien wissenschaftlich zu erforschen. Ein antreibender Faktor dieser Bemühungen war sicherlich auch die aufkommende gesellschaftliche Gegenbewegung zur Fortschritts- und Technikgläubigkeit, die ihren mächtigsten Ausdruck in der Anti-AKW-Bewegung fand. Eine Bewegung, die die Existenz des Atomzentrums herausforderte und in Frage stellte, und so kam es in den Reaktionen zu Wechselwirkungen.
Bevor die systematisch betriebene Akzeptanzforschung des KIT vorgestellt wird, soll deshalb zunächst die Enstehung des Widerstands in und um Karlsruhe umrissen werden.
Widerstand formiert sich – die Rolle der GRÜNEN
Als die Anti-AKW-Bewegung Anfang der 70er Jahre begann, in Karlsruhe und nächster Umgebung die Öffentlichkeit zu informieren und durch kleine Aktionen, wie z. B. Begehungen rund um das Zentrum, Aufmerksamkeit zu schaffen, ging es uns oftmals so, dass wir als Spinner verschrien wurden, die im Strickpullover bei Kerzenlicht an der Möhre knabbern. Mit dem Einzug der GRÜNEN in die örtlichen Gemeinderäte und in den Bundes-bzw. Landtag kam etwas Licht in das Dunkel des atomaren Gestrüpps des größten Atommüllproduzenten des Landes vor unserer Haustür im Hardtwald. Die ganze Wahrheit blieb auch trotz vieler Anfragen weiterhin verdunkelt, weil die Sprache der Atomwissenschaft verschleiernd oder verharmlosend war und die Forscher eine ungeheure Reputation in unserer Gegend genossen. Protestaktionen, selbst mit so namhaften Persönlichkeiten wie Robert Jungk vor der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, hatten nur mäßigen Zuspruch und keinerlei mediale Präsens. Auch die regelmäßigen Fahrrad-Informationsfahrten, „Sonntagsspaziergang“ genannt, um das große eingezäunte und gesicherte Gelände fanden keine Berichterstattung und auch wenig Interesse bei den über 20.000 Studentinnen und Studenten einer technischen Universität.
Viele in den umliegenden Gemeinden arbeiteten im weitesten Sinne für das Zentrum (dessen Mitarbeiter z. B. Kunden ihrer Betriebe, Läden, Geschäfte waren) oder hatten Angehörige, Verwandte oder Freunde, die dies taten. Das Zentrum brachte Geld in die Kassen der Gemeinden, die Info-Veranstaltungen im KfK waren eine einzige Beschwichtigungsorgie, an denen sich auch ein grüner Kreistags- und Gemeinderatsangehöriger und gleichzeitig Beschäftigter des Forschungszentrums beteiligte und vom Betriebsrat (Gewerkschaft) mit unterstützt wurde.
Eigentlich erst nach Tschernobyl wurde es uns in unserer Region (wie im Rest der Republik) möglich, ein realistischeres Bild der Gefahren von Atomkraft zu verbreiten, so dass auch in unserer Region die Meinung kippte und ein größerer Teil der Bevölkerung begann, skeptisch zu werden und sich nicht mehr so unbesehen für die atomare Energie auszusprechen.
1984 gründete sich die „Bürgerinitiative für die Stilllegung der Atomanlagen und die Umwandlung des Atomforschungszentrums Karlsruhe in ein Forschungszentrum für alternative Energien“. Der Titel war Programm, und die Öffentlichkeitsarbeit begann.
Das Verbreiten eines Gegenbildes zu den publizierten Groß- und Allmachtsphantasien der Forscher im KfK war schwierig; die Gefahren der Atomkraft zu vermitteln war eine mühselige Kleinarbeit (der ehemalige Revierförster der Gegend, Wilhelm Knobloch, kann hiervon auch ein Lied singen). Wir kamen sozusagen vom politischen Abseits in das Zentrum einer sozialen Anti-Atom-Bewegung – waren dann aber auch sofort den Okkupationsversuchen politischer Parteien ausgesetzt.
Ohne Beispiel sind natürlich die GRÜNEN, die mit unserer Bewegung groß geworden sind. Hervorgegangen aus Teilen sozialer Bewegungen, insbesondere der Ökobewegung, dienten sie in Karlsruhe, vor allem nach schweren Auseinandersetzungen wie in Brokdorf oder Wackersdorf um den Bau neuer Atomanlagen, als Sammelbecken für uns, die noch Hoffnung hegten, parlamentarisch etwas verändern zu können. Wir, die Grünen der 1. Stunde, hatten das Thema ‚Kernforschung‘ und die Rolle der Atomstrom-Erzeuger (EnBW) in den Fokus unserer zumeist kommunalpolitischen Arbeit in der Region und des Landes Baden-Württemberg gerückt und dadurch eine Gegenöffentlichkeit geschaffen, die den Agierenden im Zentrum und in den Altparteien überhaupt nicht gefiel. Zunächst offen bekämpft (immer wenn ich mich im Karlsruher Gemeinderat zu Wort meldete, wurde die Redezeit vom damaligen Oberbürgermeister auf 3 Minuten begrenzt – normal waren 10), dann aber, um die zukünftigen ‚Kolleginnen und Kollegen‘ in einer aufgehübschten Parteienlandschaft nicht allzu sehr – auch als eventuelle zukünftige KoalitionspartnerInnen – zu beschädigen, begann man auch hier mit Versuchen der Einbindung. In Karlsruhe prüfte man deshalb unsere „Politikfähigkeit", sprich: Verlässlichkeit, Kalkulierbarkeit.
Nach dieser Phase folgte dann die Einbindung erst durch Verwaltungsposten (Fraktionsvorsitzende in Karlsruhe wird – für uns grünen Gemeinderatsmitglieder überraschend – Leiterin des Karlsruher Tourismusbüros), und nach dem Austritt eines nicht unbeträchtlichen Teils der kritischen Mitglieder 1999, infolge des Eintritts Deutschlands in den Nato-Krieg mit grüner Unterstützung, war auch der erste grüne Bürgermeister in Karlsruhe möglich geworden. Der Wahlsieg der GRÜNEN nach Fukushima brachte schließlich deren strikt und gut organisierte Realogruppe um den Ministerpräsidenten Kretschmann an die Macht. Ministerpräsident Kretschmann, damaliger Umweltminister Franz Untersteller und Rudi Hoogvliet als Ex-Regierungssprecher (Rezzo Schlauch wurde als Berater bei der EnBW abgefunden, Fritz Kuhn schließlich OB von Stuttgart) waren die Realo-Gruppe in Baden-Württemberg, die jeden Parteitag dominierten. Die einem Ondit zufolge immer noch als ‚links‘ eingestuften Karlsruher GRÜNEN wurden nach der Wahl 2011 mit einem Staatssekretärinnenposten ‚beschenkt‘.1
Pionier der Einbindung – wissenschaftliche Forschung im Dienste der Manipulation
Die Vorbereitung zur Einbindung der BürgerInnen begann in Karlsruhe wie eingangs erwähnt schon in den 80er Jahren. Lange bevor ein Energiekonzern wie RWE 2012 eine „Akzeptanz-Studie“ herausgab, in der die Vorzüge der BürgerInnenbeteiligung aufgearbeitet wurden, (siehe Beitrag von Florian Hurtig), hatte sich im Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) das Institut für Systemanalyse etabliert und begann mit der Untersuchung von Verfahren zu umstrittenen Projekten aller Art. Ihre Studien zielten damals noch nicht sofort auf eine Vereinnahmung von NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) und anderen gesellschaftlichen Akteuren ab. Sie sannen in ihrem ‚think tank‘ auf Abhilfe für die kommenden Auseinandersetzungen in einer Art Akzeptanz-Management. In diesen Denkaquarien stiegen nun die Perlen der Weisheit in Form von Untersuchungen nach oben, die als Vorstufe unserer heute festzustellenden wirklichen Vereinnahmung der Bürgerinnen und Bürger gelten könnte.
Man begann ganz allgemein mit Untersuchungen der Abteilung für Angewandte Systemanalyse im KfK über „Großtechnologien in der gesellschaftliche Kontroverse“2. Da wurde großflächig die Bevölkerung in Deutschland zur Atomenergie befragt und festgestellt, dass 1983 54 % der Befragten die „Kernenergie eine der umweltfreundlichsten Technologien“ sehen (S. 85). Aber schon in dieser Untersuchung waren 65 % aller Befragten mit Abitur der Meinung: „Unseren Nachkommen wird auf unverantwortliche Weise der radioaktive Müll hinterlassen“ (S. 89).
In Karlsruhe wurde wie in der gesamten Republik durch Tschernobyl die Situation für die Befürworter der Atomenergie verschärft, und sie legten intensiv nach. Und jetzt wurde es detailliert angegangen. Der Widerstand wurde nicht nur durch unsere ‚Geheimdienste‘ durchleuchtet, nein, mit wissenschaftlichen Methoden wurden wir er- und ausgeforscht. Das Ziel: herauszufinden, wie wir arbeiten und wie man uns dann in Zukunft begegnen kann.
Die Federführung hatte dabei die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Einer der dortigen Honorarprofessoren war 21 Jahre lang bis 1996 Vizechef des KfK, Prof. Dr. Hellmut Wagner. Die Ära Wagner war nicht nur eine gelungene Vereinigung von „Technik und Recht“, er war Jurist und Ingenieur – seine für die Atomcommunity in Wissenschaft und Politik mitinitiierten Forschungsarbeiten waren in der Tat sehr wertvoll für die Ausspähung der Bürgergesellschaft und das Ersticken des Widerstandes mit wissenschaftlichen Mitteln vor Ort. Sie entfalten erst heute voll ihre einlullende Wirkung.
Diese Forschungsarbeiten fanden ihren Niederschlag in der Veröffentlichung der Diskussionen und Ergebnisse in den KfK-Nachrichten, dem Publikationsorgan des KIT. So auch die Schlussfolgerungen aus einer „Bevölkerungsbefragung zu umweltrelevanten Grossvorhaben“ unter der Überschrift: Kernenergie und Müllverbrennung als Konfliktthemen.3 Der Autor mahnt in seiner Auswertung folgende Verbesserungen an: „Bürgeranliegen ernster nehmen, weil Vertrauensfunktion von den Bürgern als defizitär eingestuft wurde; Information verbessern, weil Informationsfunktion defizitär; frühere Beteiligung, weil Partizipationsfunktion defizitär …“
In einer anderen Studie unter dem Titel „Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen eines wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens – der Fall Negertalsperre“4 monieren die Autoren, wie „der Konflikt verfahrensmäßig und außerverfahrensmäßig ausgetragen wird. In einem Klima von Misstrauen dominieren letztlich Konfrontationsstrategien.“ (S.73)
Zugleich plädieren sie, dass die Grundsatzentscheidung und das „Verhandeln des Verhandelbaren“ in eine Vorphase verlagert wird; betonen, dass die Planungssicherheit für den Betreiber Vorrang vor der existenziellen Sicherheit der Betroffenen habe; stellen die Wichtigkeit einer „neutralen Schiedsrichterrolle“ heraus; meinen, Erörterungstermine sollten zur Pflichtveranstaltung gemacht werden und möchten den Betroffenen die Planungsfolgen, insbesondere die sozialen Kosten aufbürden.
Das untersuchte Planfeststellungsverfahren wird als ungenügend betrachtet, Ziele, die den Konflikt befrieden könnten, zu erreichen. In ihren Schlussfolgerungen plädieren sie für einen ganz neuen Ansatz von Beteiligungsverfahren, der wesentliche Züge moderner Einbindungsstrategien vorwegnimmt. Besonders aufschlussreich scheint mir ihre Erkenntnis, dass die Aufhebung der Gegnerschaft der zentrale Hebel für das Funktionieren von Einbindung ist:
„Das Verfahren vermag so nur mehr Legalität herzustellen, nicht aber Legitimation. Es ist m. E. fraglich, ob Verfahren als Ordnungsprinzip – und darin eingebettete Öffentlichkeitsbeteiligung – diese Einschränkung auf Dauer „aushält“. Ein Ausweg aus dem Dilemma ist m. E. nicht allein bei Verfahrensmodifikation zu suchen, wie z. B. die Erweiterung der Konzentrationswirkung des Verfahrens oder einer weniger restriktiven Handhebung des Recht auf Akteneinsicht. Man muss den Hebel bei der „Gegnerschaft“ zwischen staatlicher Instanz, Antragsteller und Bürgern/Einwendern ansetzen. Gegnerschaft produziert Konfrontationsstrategien. Was bei (anscheinend) unverhandelbaren Positionen weiterbringen könnte, sind dagegen Konsensstrategien. Mit ihrer Hilfe würden auch Angebote zur Öffentlichkeitsbeteiligung, wie sie im vorliegenden Falle gemacht worden sind, tragfähig. Und darüber hinaus könnten möglicherweise neue Beteiligungsformen entwickelt und vor allem umgesetzt werden, die bei der Grundsatz- Entscheidung selbst ansetzen, nicht nur an Modifikationen.“
Damit waren die Konsenskonferenzen erfunden und zunächst in die Lobbyköpfe und dann zehn Jahre später bei Rot-Grün in die Politik gebracht. Der kritisierte Ablauf blieb aber von der Grundidee völlig unverändert: Betreiber will etwas → Bürger und ‚Gutachter‘ reden darüber → Betreiber bekommt von der Behörde mit leichten Korrekturen das was er will.
In der KfK-Schrift Nr. 4885 von September 1991 geht es um die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Bau eines Teilstücks der Autobahn A98/A861 „Von Bordeaux nach Istanbul“. In dieser Schrift werden Sinn und Effekte der damals gängigen Praxis unverblümt offen und klar folgendermaßen dargestellt:
„Weil der Entscheidungsempfänger (also der Bürger, H. B.) an die Entscheidungsoffenheit der Situation an die Ungewissheit glaubt, lässt er sich im Verfahren zu gut bezahlter zeremonieller Arbeit anhalten. Nach deren Ableistung findet er sich wieder als jemand, der die Normen in ihrer Geltung und die Entscheidenden in ihrem Amte bestätigt und sich selbst die Möglichkeit genommen hat, seine Interessen als Konsensfähig zu generalisieren und größere soziale oder politische Allianzen für seine Zielen zu bilden. Er hat sich selbst isoliert. Eine Rebellion gegen die Entscheidung hat dann kaum noch Sinn und jedenfalls keine Chance mehr. Selbst die Möglichkeit, wegen eines moralischen Unrechts öffentlich zu leiden, ist verbaut.“ (obige Schrift S. 7)
Einem solchen, im alten bürokratischen Denken verhafteten Autor geht es also nicht um Emanzipation oder die Integration in die politische Gemeinschaft. Hier geht es um eine oktroyierte Akzeptanz, darum, wie Menschen dazu gebracht werden können, eine Verwaltungsentscheidung anzunehmen, und nicht um die Akzeptanz in der Sache. Überzeugung und Einsicht ist nicht gefragt und führt, so die arrogante Haltung der Autoren dieser Schrift, deshalb ins Abseits, weil der BürgerInnenwillen nicht in der Lage ist, eine komplexe Sache zu erfassen. Sein Wille wird missbraucht, aber nicht gebraucht. Mit sehr widersprüchlicher Argumentation wird das auch in diesem Zitat aus der genannten Schrift deutlich ausgesprochen:
„Eine administrative Durchsetzungsstrategie, und das ist die Planung einer Autobahn (auch), ist kein Anschlag auf die Demokratie oder das Selbstbestimmungsrecht des Bürgers. Fehlende Bürgernähe dieses Entscheidungsprozesses entspringen nun einmal nicht nur aus der Komplexität und Ausdifferenzierung von Gesellschaften, die Funktionslegation an Teilsysteme notwendig macht, sondern sie lässt sich auch aus der begrenzten fachlichen Kompetenz des mit wenig Zeit für die Belange des Gemeinwesens ausgestatteten ‚citoyen‘ erklären.“ (S. 73)
Ohne Kompromisse gehe es nicht, heißt es. Dabei sind Kompromisse taktische Zugeständnisse des Mächtigeren an den Schwächeren; der Mächtigere macht kurzfristige Zugeständnisse, um langfristig zu gewinnen; er geht in Einzelfragen Kompromisse ein, um in Grundsatzfragen Recht zu behalten. Dadurch legitimiert aber der schwächere Partner die unerwünschte Grundhaltung des Stärkeren. Damit dies nicht allzu sichtbar wird, hat man im öffentlichen Raum die Mediationsverfahren implementiert.
Auf der Internetseite des PLM Portal (Product Lifecycle Management), gefördert vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, wird die Systemerhaltende Notwendigkeit des Akzeptanzmangements betont und aus der gleichen Herrschaftslogik und -haltung heraus begründet: Wie kriege ich die Bevölkerung dazu, dass sie will, was sie nicht will? Wo der Mensch von sich aus keine Motivation hat, muss nachgeholfen werden:
„Akzeptanzprobleme sind das Todesurteil für jedes System, und sei es auch noch so gut. Ein konsequentes Akzeptanz-Management sollte deshalb fester Bestandteil eines jeden Projektes sein, das Auswirkungen auf die Arbeitsprozesse hat. Der Mensch lernt nun mal nicht gerne um, es sei denn er hat einen unmittelbaren Nutzen davon. Ist das nicht der Fall, dann ist sehr viel Überzeugungsarbeit erforderlich, damit er die Neuerung akzeptiert.“
Die Mediation zum Neubau des Instituts für Transurane
Von der Theorie in die Praxis: Im Sept./Okt. 2011 fand eine Mediation statt, bei der es um den Erweiterungs- und Neubau des Instituts für Transurane ging, des sog. Flügels M. Diese Mediation wurde vom baden-württembergischen Umweltministerium initiiert, als Mediator wurde Michael Sailer engagiert.
Bei dieser Mediation ging es um die Frage, ob das ITU den beantragten Erweiterungsbau bauen darf und ob die beiden Gemeinden, auf deren Gemarkung dieses Gelände steht, ihre Genehmigungen erteilen würden.
Zur Vorgeschichte: Der Bürgermeister von Linkenheim-Hochstetten, Günther Johs, bekommt die Unterlagen zu einem Neubau eines Gebäudes im ITU, welches auf seiner Gemarkung liegt. Er wundert sich etwas über die Wandstärke des Betons, und wir kommen, da wir uns aus den Verfahren zur WAK und Verglasungsanlage kennen, darüber in Kontakt. Wir treffen uns und stellen fest, dass das ITU Genehmigungen z. B. zum Umgang mit 180 Kilo Plutonium und vielen anderen radioaktiven Stoffen besitzt. Wir werden hellhörig. Schalten die Medien ein. Wir machen einen Infostand vor Ort, und wir schreiben an das Ministerium des grünen Umweltministers Untersteller. Die Sache kommt ins Rollen. Man merkt in Stuttgart, so einfach ist dieser Bebauungsplan, der die Zustimmung des Gemeinderates von Linkenheim benötigt, nicht durchzubringen. Der Bürgermeister erhält Rückendeckung von seinem Gemeinderat. Stuttgart kommt ins Nachdenken, weil das Umweltministerium hier auch eine atomrechtliche Genehmigung (ohne Öffentlichkeitsbeteiligung) erteilen muss. „Hier müssen wir was machen“, werden sie gesagt haben. Die Mediation wurde geboren, und die Gemeinderäte von Eggenstein-Leopoldshafen, Linkenheim-Hochstetten und der BUND wurden zu einer öffentlichen Mediation eingeladen.
Beim BUND wurde eine Diskussion über Beteiligung oder Nichtbeteiligung nicht geführt. Anders in der Bürgerinitiative ‚Müll und Umwelt Karlsruhe e. V.‘, der ich auch angehöre, in der schon eine gewisse Skepsis gegenüber diesem Vorgehen geäußert wurde. Nach dem Abwägen der Vor- und Nachteile entschied man sich in der BI zu einer Teilnahme in Form meiner Person als fachlicher Unterstützer, da ich als BUND-Mitglied vom BUND Regionalverband Oberrhein zum Mediationspersonal berufen worden war. Wir versprachen uns Öffentlichkeit und eine faire Auseinandersetzung. Außer einem nur die Gebäudehülle darstellenden Bebauungsplan und der atomrechtlichen Altgenehmigung hatten wir zur 1. Sitzung am 12.9.2011 jedoch keinerlei Unterlagen. Das hätte uns warnen müssen, weil so die ‚Augenhöhe‘ in keiner Weise gegeben war und wir auf die Herstellung derselben hofften.
Es gab für BUND-Mitglieder lediglich einen Besuchstermin beim ITU und seinen Chef Prof. Dr. Fanghänel, bei dem uns mit Hilfe der üblichen Power-Point-Präsentation Struktur und Aufgabenfelder des Instituts erläutert wurden (entsprechend dem Info-Flyer, den wir natürlich bereits kannten, was dann in der Mediation genau so wiederholt wurde).
Der Mediator Michael Sailer
Als Mediator war Michael Sailer auf den Plan gerufen worden. Da wir mit ihm und dem Ökoinstitut in Darmstadt und Freiburg früher, zu Anfangszeiten, regen Kontakt hatten und fachliche Unterstützung bei der ‚Gegnerschaft‘ zum KfK und seinen atomaren Anlagen fanden, galt er zunächst bei uns als akzeptabler Versammlungsleiter, der wohl auf beide Seiten sachlich/wissenschaftlich eingehen konnte.
Wir hatten die Hoffnung, der Atomtechnik-Experte Sailer würde, so wie die Mitarbeiter seines Instituts, uns bei atomrechtlichen strittigen Fragen zur Seite stehen und einhaken, bzw. ein Nachfragen unsererseits ermöglichen, da uns keine wissenschaftliche Beratung zur Seite stand. Diese Hoffnung erwies sich als schwerer Fehler.
Sailers Mitgliedschaft in Beratungsgremien5 und, wie sich zeigte, seine anscheinend persönlich gute Bekanntschaft mit Prof. Dr. Fanghänel6, dem Chef des ITU, hätte uns zwar stutzig machen sollen, aber wir waren von einer gewissen Neutralität überzeugt. Wir wussten auch, dass der grüne Umweltminister, Franz Untersteller, der ihn als Mediator berief, jahrelang sein Mitarbeiter am Öko-Institut in Freiburg war, dort ab 2002 bis Mai 2011 sogar Vorstandsmitglied.
Im Laufe der Verhandlung entpuppte sich Michael Sailer denn auch mehr und mehr als Steigbügelhalter des ITU, vor allem verkörpert in der Person des ITU-Chefs, mit dem er auch als erster Vorsitzender der Entsorgungskommision (ESK) in enger Verbindung stand - Fanghänel ist dessen zweiter Vorsitzender. Er räumte diesem jedwede Redezeit ein, auch für langwierigste, aus- und abschweifende Erklärungen und versuchte kritische Fragen abzubiegen, ja sogar abzublocken. Gegenüber den anwesenden Bürgerinnen und Bürgern erwies er sich dagegen als intolerant, verbat sich sogar kleinste Missfallensäußerungen während der Sitzung und wies ziemlich rüde die Menschen im Saal zurecht. Mich duzte er zu meiner Überraschung in der 1. Sitzung, was ich als Vereinnahmung empfand und mir verbat.
Die Beteiligten
Von den insgesamt 20 Mitgliedern waren gerade mal zwei BUND/BI-Vertreter und 2 BeraterInnen aus einer BI. Die anderen waren ParteivertreterInnen der Kommunen, Verwaltungs- bzw. Ministerienvertreter oder Mitarbeiter des ITU. Mit ‚Bürger‘-Beteiligung hat das also im Grunde nichts zu tun. Während der Mediation wurden keine Fragen von Bürgerinnen und Bürgern aus dem Publikum zugelassen.
Die Runde der Teilnehmer der Mediation zum Bau des Neubaus des Instituts für Transurane setze sich wie folgt zusammen:
Mediator: Michael Sailer und eine Assistentin; Helmfried Meinel, Ministerialdirektor Umweltministerium Baden-Württemberg plus 2 Berater; Prof. Dr. Jörg Menzel, Dezernent Landratsamt Karlsruhe; Prof. Dr. Thomas Fanghänel, Direktor Institut für Transurane;
Dr. J. Fleisch, Geschäftsführer WAK GmbH (für ITU), dazu eine Reihe von Beratern und Rechtsanwälten; Bürgermeister Stober von Eggenstein-Leopoldshafen + 5 Gemeinderäte + 1 Verwaltung; Bürgermeister Johs von Linkenheim-Hochstetten + 6 Gemeinderäte;
BUND 2 Mitglieder, dazu je 1 Berater von BUND und der BI ´Müll und Umwelt Karlsruhe´.
Die Sitzungen
Der etwaige Ablauf jeder Sitzung wurde von Sailer festgelegt, und wir, die Beteiligten, konnten Wünsche äußern, die in unserem Falle nur zum Teil oder gar nicht erfüllt wurden.
Prof. Dr. Fanghänels Hauptgebiet Kernbrennstoffe (die vorindustrielle Herstellung von ‚Brennstäben‘), für die die Plutonium-, Uran- und Thorium-Mengen benötigt werden, streifte er nicht einmal. Zu Beginn der 2. Sitzung kam ein ehemaliger leitender Atomforscher auf mich zu und sagte: „Wenn das stimmt, was er über seine Arbeitsgebiete aussagt, dann braucht er keine 180 Kilo Plutonium, sondern allenfalls 10 Gramm von jedem radioaktiven Stoff. Wir hatten für unsere sehr umfassenden Forschungsarbeiten viel weniger als 1 Kilo Plutonium zur Verfügung.“
Uns war klar, hier wurde verschleiert, und außer uns hatte nur ein Gemeinderat aus Linkenheim genau diese Verschleierung im Blick und fragte danach. Dieser Gemeinderat jedoch wurde von Prof. Fanghänel wegen einer läppischen Ungenauigkeit in einer chemischen Abkürzung, eines Schreibfehlers, auf das Übelste angegriffen, so dass dieser sich nicht mehr – bis auf ein Schlusswort – zu Wort meldete. (Mir wurde auch hier wieder klar, dass auch wir scharfen Kritiker unsere Sprache wechseln, z. B. verharmlosende Begriffe wie Grenzwerte, Integrität eines Gebäudes zum Teil übernehmen, bevor wir überhaupt den Mund aufmachen dürfen.) Seine Kolleginnen und Kollegen hielten sich bis auf die Schluss-Statements sehr zurück, in denen dann aber vom Fraktionschef unsere ‚Dominanz‘ während der Sitzungen gebrandmarkt wurde (zur Arbeit des ITU hatten sie jedoch nichts zu sagen). Die beiden Bürgermeister äußerten sich zum Bebauungsplan.
Bürgermeister Johs aus Linkenheim machte zudem deutlich, dass seine Gemeinde über Jahrzehnte von den Anlagen des KfK und des ITU radioaktiv belastet wurde und er und sein Gemeinderat deshalb sehr skeptisch gegenüber Neubauplänen auf seinem Gemeindegebiet seien. Er wies nach, dass die Sedimente des Altrheins bei Linkenheim schon seit 1979 mit Plutonium belastet sind.
Als Schlussfolgerung wurde jedoch nicht die Beseitigung dieser radioaktiven Altlast7 beschlossen, sondern einfach festgestellt: „... aus radiologischer Sicht besteht keine Notwendigkeit die Sedimente auszubaggern“. Diese Haltung führte dazu, dass sich der Linkenheimer Gemeinderat zunächst gegen den Neubau aussprach und dann einen Bebauungsplan über das gesamte Gemeindegebiet auf dem Gelände der WAK und ITU beschloss.
Der anschließende – noch nicht beendete – Rechtsstreit darüber würde hier zu weit führen. Aber auch hier wurde der BürgerInnenwille vonseiten des ITU durch das schon beinahe an Nötigung grenzende Schreiben eines beauftragten Anwaltes (mit der Androhung von hohen Schadenersatzforderungen im Falle der Nichtgenehmigung) versucht auszuhebeln.
Der Bürgermeister von Eggenstein-Leopoldshafen musste zugeben, dass bis zu dem Meditionstermin sein Gemeinderat über Bebauungspläne des Zentrums nie abgestimmt hatte. Die Bürgermeister hatten die Genehmigungen nach § 34 des Baugesetzbuches einfach immer erteilt, so auch für den Bau des neuen ITU-Gebäudes.
Die Haltung von mir (und ich verstand mich dabei mehr als BI-Vertreter denn als BUND-Mitglied) war klar: Die vom ITU zum Großteil geleistete Forschung dient vorwiegend dazu, die Akzeptanz bei der Bevölkerung für die Atomenergie nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima wieder zu erhöhen und Forschungsgelder der EU abzugreifen.
Ein weiteres Beispiel: Wir fragten das ITU nach der evtl. Zusammenarbeit mit dem Militär (weil in einer Folie des ITU Namen wie Los Alamos, Israel Atomic Energy Commission, Oak Ridge National Laboratory u.a. auftauchten). Antwort von Prof. Dr. Fanghänel: „Meines Wissens arbeiten wir nicht mit der Bundeswehr zusammen.“ Bei einem Erörterungsverfahren z. B. hätte man nachhaken können, bei der Mediation nicht.
Es wurde immer deutlicher: Die Mediation ersetzt in keiner Weise ein öffentliches Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung. Es wurde nur häppchenweise mit Fakten herausgerückt, die von uns Kritikern aus „Zeitgründen“ oder durch Verhinderung durch den Mediator so gut wie nie hinterfragt werden konnten. Gutachten zur Sicherheit und exakte Baupläne lagen nicht vor und wurden mit dem Hinweis auf Sicherheitsprobleme verweigert.
Dem ITU, vertreten durch Prof. Dr. Fanghänel, wurde es ermöglicht, stundenlang ausweichend auf alle möglichen Randbereiche des ITU (medizinische Forschung, Forensik, Ausbildung von Polizei und Zoll = bezeichnet als Kernbereiche des ITU) einzugehen und damit sowohl die Mediationsbeteiligten als auch die anwesende Öffentlichkeit einzuschläfern. Und Nachfragen ließ der Mediationsleiter nicht zu – Ansätze dazu wurden als ‚Verhör‘ empfunden.
Sachverhalte wurden sprachlich so wattiert und verpackt, dass die ursprünglichen Fragen überhaupt nicht mehr erkennbar waren; die Antworten waren reiner wissenschaftlicher, unverständlicher Sprachmüll – so die Meinung von anwesenden BürgerInnen, denen nur die Rolle als absolut passive Zuschauer zugestanden wurde.
Bei der Diskussion um die im ITU gelagerten Plutoniummengen wurde von Dr. Fanghänel immer darauf verwiesen, dass es ja viel weniger als 180 Kilo seien und die Höhe daraus resultierte, dass das ITU ja auch Sammelstelle für illegales aufgefundenes/beschlagnahmtes Material in Deutschland sei, dadurch evtl. mal größere Mengen anfallen könnten und man dann nicht erst den Antrag auf eine Extra-Genehmigung stellen müsse. Das Ministerium bot den Beteiligten unter Wahrung der Geheimhaltung an, sich in Stuttgart die aktuelle Zahl anzusehen. Ich, und mit mir die BI, lehnte dies kategorisch ab, weil dieses Herrschaftswissen ja genau keine Transparenz herstellt. Leider gingen der BUND und die Bürgermeister aber auf diesen Vorschlag ein.
Bei der Diskussion über Abgabe von radioaktiven Stoffen an die Umwelt über den Kamin des ITU konnte man merken, dass dem Mediationsleiter Sailer daran gelegen war, nicht in eine Diskussion über die Gesundheitsgefährdung einzugehen, weil deren Materialien – so war es ausgemacht – alle auf die Seite des Ministeriums gestellt werden. Eine von mir vorbereitete Präsentation über Abgabe und Wirkung von Plutonium wurde deshalb aus Zeitgründen nicht zugelassen. Klar wurde nur, die radioaktiven Abgaben des Gesamtzentrums waren über viele Potenzen zu hoch angesetzt, sodass immer gesagt werden konnte (genau wie bei der Abgabe der radioaktiven Substanzen der Atomreaktoren im ‚Normalbetrieb‘): Wir liegen ja weit unter den genehmigten Werten. Ich versuchte klarzumachen, dass Grenzwerte die Vergiftung legitimieren: Vergiften und verseuchen darfst du ,,aber bitte nicht zu viel – nur im Rahmen der Grenzwerte“. Dem Grenzwert liegt immer noch der Gedanke zugrunde: „Alles ist Gift, es kommt nur auf die Menge an.“ Der Grenzwert für chemische oder radioaktive Stoffe richtet sich aber nicht nach seiner Schädlichkeit, sondern nur nach der Möglichkeit seiner problemlosen Einhaltung durch den Betreiber und der Wirtschaftlichkeit.
Die Wissenschaft aber hat nachgewiesen, dass sich die verschiedensten Gifte 1. akkumulieren und 2. ein winziges Teilchen Plutonium in unserer Lunge für Lungenkrebs verantwortlich sein kann.
Wir machten klar:
- Das ITU ist der größte Alpha-Emittent (PU) im Zentrum und
- seine radioaktiven Abgaben für den Alpha-Zerfall nehmen seit Jahren zu.
Hätte ich gewusst, dass man in diesem Verfahren die Gefährlichkeit des Umgangs mit diesen Stoffen lediglich auf die bestehenden Grenzwerte reduzieren wollte, ich hätte von vornherein nicht an diesem Verfahren teilgenommen. Den kleinen Unterschied zwischen Sicherheit und wahrscheinlicher Sicherheit trennen Welten. Im Atomzeitalter hängt daran das Überleben von uns allen. In den vorgelegten Sicherheitsgutachten zur Sicherheit des Gebäudes gegen Außeneinwirkungen wird immer von einer wahrscheinlichen Sicherheit ausgegangen. Ihre Aussagen bleiben also auch dann wahr, wenn morgen ein Terroranschlag auf das ITU verübt wird und die gesamte Region Karlsruhe verseucht würde. Nur ein teilnehmender Gemeinderat unterstützte mich aktiv in der Haltung, dass wir in Deutschland einen Ausstiegsbeschluss aus der Atomenergie haben und deshalb wir keine Forschung mit gesundheitsschädlicher Abgabe von Plutonium in unsere Atemluft mehr für zukünftige Atomreaktoren akzeptieren wollen.
Fazit
Für das Umweltministerium Baden-Württemberg wie auch für das ITU war diese Mediation vor allem auf das Ziel gesellschaftlicher Akzeptanz in unserer Region ausgerichtet – greenwashing auf der ganzen Linie. Es galt, die aufkeimende Kritik von Gemeinderatsmitgliedern und dem BUND Karlsruhe, der BI ‚Müll und Umwelt‘ und der Karlsruher Atomgruppe ‚Atomstopp Karlsruhe‘ an dem Vorhaben frühzeitig durch Einbindung dieser gesellschaftlichen Akteure ruhig zu stellen. ITU (der Vorhabenträger) und Politik (Ministerien, Behörden) konnten mit vollem Ressourceneinsatz in ihrer Arbeitszeit gegen uns antreten, wir BürgerInnen mussten uns freinehmen/beurlauben lassen, in unserer Freizeit alle Informationen mühsam zusammentragen und die dazu notwendigen Mittel auch noch aus dem eigenen Portemonnaie bezahlen. Denn die Voraussetzung für eine richtige Entscheidung hängt vom Grad der Informiertheit ab, die wiederum hängt auch von der finanziellen Ausstattung und der Gleichheit der Möglichkeiten für alle Seiten ab, diese Informiertheit herstellen zu können – die war bei diesem Verfahren zu keiner Zeit gegeben.
Mediation ist der Königsweg, um die Interessen des grünen Umweltministeriums Baden-Württemberg und die ITU-Absicht reibungsloser umzusetzen und gleichzeitig einen Rechtsstreit um den Bebauungsplan vermeiden zu können, wo die größten Probleme lauern: in der Baubehörde des Landkreises, die für die Genehmigung letztlich verantwortlich zeichnet.
Es wurde zwar von Bürgerbeteiligung geredet – die Genehmigung wurde aber hinter verschlossenen Türen verhandelt und beschlossen und in der 4. Mediationssitzung versehentlich als eigentlich schon fertig ausgesprochen: Staatssekretär Meinel (im Übrigen ebenfalls aus dem Umfeld des Öko-Instituts kommend, dessen Vorstandsmitglied er von 2002 - Mai 2011 war): „Wir sind, was die Genehmigungsprüfung angeht, soweit durch, d. h. wir könnten eigentlich die atomrechtliche Genehmigung aussprechen. Gut, das machen wir natürlich nicht, bevor das Mediationsverfahren abgeschlossen ist, und dann auch all die Punkte, die … was heute gesprochen … abarbeiten … einarbeiten ..., danach wird ITU einen Antrag stellen – wie vorbesprochen, auf dieser Basis, auf der wir uns verständigt haben gemeinsam – und dann würden wir aber auch zeitnah diese Genehmigung aussprechen wollen, d. h. ich sag mal im Zeitraum von 4 Wochen plus minus.!“
Spätestens zu diesem Zeitpunkt haben wir es versäumt, die Reißleine zu ziehen und aus dem Verfahren auszusteigen.
Die erteilte Genehmigung lässt dem ITU weiter die Brennstoffentwicklung für die neuen Reaktortypen der Generation IV zu. Es ist eine Umgangsgenehmigung, d. h. sie dürfen zwar nur 80 Kilo PU besitzen, diese aber ständig erneuern. Letztlich ein Persilschein eines grünen Umweltministers für die Fortsetzung der europäischen und auch weltweiten Atomwirtschaft unter den Deckmantel von Sicherheitsforschung und Forensik.
Oder wie Ministerpräsident Kretschmann die Bürgerbeteiligung kommentierte: „Gehört werden heißt nicht, erhört werden.“
Harry Block - 2011
1 eine informative Studie der „Ökoecke im Supermarkt“ = GRÜNE findet sich bei Michael Wilk ‚Techniken des Sozialen Friedens‘
2 KfK 3342 vom Mai 1983
3 Gloede, F. Kernenergie und Muellverbrennung als Konfliktthemen – Vergleich zweier regionaler Bevoelkerungsbefragungen zu umweltrelevanten Grossvorhaben. KfK-Nachrichten, 22 (1990) S. 59-69
4 September 1991 (interner KfK-Bericht 4865)
5 Vorsitzender der Entsorgungskommission (ESK) seit 2008 und Mitglied der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) seit 1999, deren Vorsitzender er von März 2002 – März 2006 war, Mitglied des Scientific and Technical Committee von Euratom (STC) 2005 – 2013)
6 Seit 2006 ist Prof. Dr. Fanghänel Direktor des ITU Karlsruhe. (Zudem ist er in der Generaldirektion der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS)/Joint Research Centre (JRC) sowie stellvertretender Vorsitzender der Entsorgungskommission (ESK) (Vorsitzender der ESK: Michael Sailer), Ausschuss Endlagerung radioaktiver Abfälle (EL).
Von 1991 – 2000 und 2002 – 2006 arbeitete er bereits im Forschungszentrum Karlsruhe (FZK)
7 Das Umweltministerium prüfte dies anschließend nochmals und kam zum Ergebnis, dass sich neben den natürlichen Radionukliden dort auch die künstlichen Radionuklide Plutonium sowie Strontium-90, Americium-241 und Cäsium-137 befanden.