Ortsverband Karlsruhe

Klimabündnis Karlsruhe zur neuen Energiestrategie der EnBW

26. Juli 2022

Wechsel von Kohle- zu Gaskraftwerken ( Fuel Switch)

Offener Brief zum Fuel-Switch Konzept der EnBW AG

Sehr geehrter Herr Mastiaux, sehr geehrte Damen und Herren im Vorstand der EnBW AG,

unter der Überschrift „Fuel Switch“ verfolgt die EnBW AG den Plan, an mehreren Standorten Kohlekraftwerke auf den Betrieb mit Erdgas umzurüsten. Das Klimabündnis Karlsruhe steht diesen Plänen kritisch gegenüber und ist daran interessiert, mit Ihnen und anderen Beteiligten in einen offenen Dialog einzutreten mit dem Ziel, Alternativen zu entwickeln, die mit der notwendigen Einsparung von Treibhausgasen besser vereinbar sind.

In den Veröffentlichungen zu ihren Fuel-Switch Plänen betont die EnBW AG, mit dem Wechsel auf Erdgas sei eine erhebliche Einsparung von CO2 verbunden (z.B.: Emission von 350 – 500 g CO2/kWh bei der Verbrennung von Erdgas im Vergleich zu 730 – 940 g CO2/kWh bei Steinkohle.) Hierbei berücksichtigen Sie nicht die erheblichen und extrem klimaschädlichen Emissionen, die bei Gewinnung und Transport von Erd- und Flüssiggas bereits lange vor der Verbrennung in die Umwelt abgeben werden. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass es bei den Förder- und Transportmethoden von Erdgas zu Leckagen kommt, die – je nach Technologie – regelmäßig zwischen 3% und 10% liegen können. Selbst bei einer vergleichsweise geringen Leckage von 3% sind die gesamten Emissionen an Treibhausgasen bei Erdgas nicht mehr geringer als bei modernsten Steinkohle-Kraftwerken. Der Klimavorteil der Fuel-Switch-Strategie der EnBW ist somit – entgegen Ihrer Darstellung in der Öffentlichkeit – aus unserer Sicht nicht gegeben.
Hinzu kommt, dass die steigende CO2-Steuer die Erdgasnutzung verteuern wird, was auch deren Endprodukte gegenüber Produkten, die aus erneuerbarer Energie erzeugt werden, immer teurer machen wird.

Zu Ihrer Strategie gehört aber auch, Erdgas in den Gaskraftwerken ab spätestens 2035 vollständig durch grünen Wasserstoff und andere klimaneutral erzeugte Gase zu ersetzen. Somit soll die von der EnBW AG für 2035 geplante Klimaneutralität erreicht werden. Dem Klimabündnis Karlsruhe erscheint auch dieser Teil Ihrer Strategie nicht schlüssig. So können wir keinen Plan erkennen, wo die benötigten Mengen an klimaneutral erzeugtem Gas herkommen sollen. Es ist bekannt, dass grüner Wasserstoff wegen des geringen Wirkungsgrades im Herstellungsprozess mit einem besonders hohen Verbrauch an Strom aus erneuerbaren Quellen verbunden und deshalb langfristig sehr teuer bleiben wird. Nicht umsonst nennt man ihn den „Champagner unter den Energieträgern“. Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass sein Einsatz im Wesentlichen nur dort erfolgen kann, wo fossile Brennstoffe nicht durch elektrischen Strom ersetzt werden können – z.B. im Flugverkehr, in der Stahlproduktion oder in der chemischen Industrie.
Für die Erzeugung von Strom und Wärme stehen dagegen erprobte Alternativen zur Verfügung, die künftig eine weitaus preisgünstigere Versorgung ermöglichen werden und bessere Gesamtwirkungsgrade aufweisen, als grüner Wasserstoff jemals wird erreichen können.

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die energiepolitische Weltlage unerwartet und dramatisch verändert. Die Notwendigkeit, den Bezug von Erdgas aus Russland so schnell wie irgend möglich zu beenden, legt die Schwächen Ihrer aktuellen Fuel-Switch-Strategie schonungslos offen. Ein Festhalten daran würde unsere Versorgung von höchst umweltschädlichem Fracking-Gas aus den USA und von ebenso fragwürdigen Lieferungen aus nordafrikanischen und arabischen Diktaturen abhängig machen. Daher sollte die EnBW AG – soweit dies noch nicht geschehen ist – jetzt mit höchster Priorität alternative Pfade für den schnellen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern untersuchen und diese nach Möglichkeit zügig umsetzen.

Für die Versorgung von Privathaushalten, Industrie und anderen Verbrauchern mit Strom und Wärme sollten dabei viele Potentiale genutzt werden, die heute in Baden-Württemberg noch weitgehend unerschlossen sind – wie zum Beispiel Geothermie, Wärmegewinnung aus Abwässern und Flüssen, Solarthermie, Biogas, Großwärmepumpen, Nutzung von Klärschlamm und Bioabfälle u.a.m.
Aus Sicht des Klimabündnisses ist es notwendig, die entsprechenden Konzepte eng mit den Wärmeplanungen der betroffenen Kommunen abzustimmen, um das Risiko falscher Weichenstellungen und Fehlinvestitionen zu vermeiden.

Die Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeversorgung ist zweifellos eine Mammutaufgabe, die unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen stellt – die EnBW AG als Versorgungsunternehmen ebenso wie die öffentliche Verwaltung, die Industrie und die privaten Haushalte. Wir sind überzeugt, dass wir die Aufgabe am besten bewältigen können, wenn alle Akteure im Rahmen transparenter Prozesse offen und konstruktiv zusammenarbeiten. Als Klimabündnis Karlsruhe wollen wir dazu beitragen und bitten Sie um eine Stellungnahme zu diesem Offenen Brief.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Hübner
Sprecher:innenrat
Klimabündnis Karlsruhe

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