Ortsverband Karlsruhe

Bebauungsplan Gottesauer Feld, Karlsruhe – Neureut

Stellungnahme

Zunächst: Die Realisierung der Planung bedeutete im Endzustand die Vollversiegelung von 16,1 ha Fläche und den Verlust von rund 20 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche.
Als Umwelt- und Naturschutzverbände fordern wir beim Flächenverbrauch die schon im Jahr 2006 vom damaligen Ministerpräsidenten Oettinger propagierte „Netto-Null“ im Flächenverbrauch.
Gegen dieses Ziel verstößt die vorliegende Planung in eklatanter Weise. Ebenso ist die weitere Reduktion landwirtschaftlich genutzter Flächen in Karlsruhe massiv zu kritisieren.
Schließlich ist aus raumplanerischer Sicht die Planung abzulehnen, sie führte zu einem weiteren Baustein zum Zusammenwachsen von Karlsruhe mit seinen Umliegergemeinden zu einem Siedlungsbrei und zerstörte eine noch erhaltene Offenlandachse im Norden von Karlsruhe.
Der BUND fordert zum Verzicht auf das Weiterverfolgen dieser Planung auf.

Zu den vorgelegten Unterlagen

In Hinblick auf den vorgelegten Entwurf wird anerkannt, dass umwelt- und naturschutzfachliche Aspekte der Planung erkennbar sind. Sei es bei den Ausführungen zu Vogelschutz an Glas, zur Beleuchtung oder zur Dach- und Fassadenbegrünung. Im Hinblick auf die verkehrliche Anbindung sowie auf Festsetzungen zum Klimaschutz/Energie scheinen noch große Verbesserungspotenziale gegeben.
Konkrete Vorgaben bzgl. ressourcen- und emissionsschonender Bauweise sowie energieoptimiertem Betrieb fehlen gänzlich in diesem Bebauungsplan. Diese Unterlassung ist sicher nicht mit dem Anspruch der Stadt Karlsruhe vereinbar, bis 2040 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu schaffen und zu betreiben. Der Energieverbrauch des Gewerbegebiets ist nicht vorhersehbar, es erscheint jedoch kaum ausreichend, wenn auf 50 % Wohndachflächen und 40 % Gewerbedachflächen Photovoltaik installiert wird. Wir fordern hier konkrete Nachbesserungen. Diese Aspekte im Jahr 2021 in einem B-Plan zu vernachlässigen, welcher Bauwerke schafft, die weit über das Jahr 2050 bestehen werden, ist mindestens fahrlässig.
Auch im Hinblick auf den Verkehr und die für das Erreichen der Klimaschutzziele unerlässlichen Mobilitätswende kann der Planung kein zukunftsweisender Charakter zugeschrieben werden. Konkrete Ziele sind nicht genannt. Vielmehr drängt sich der Gedanke auf, dass gerade die Nähe zur Bundesstraße Ausschlag für die Planung gibt und so einem ungebremsten „Weiter so“ des umweltunverträglichen Verkehrs die Bahn geebnet wird. Für die vorgesehenen Flächen sind vor allem der vollständige Verlust von Boden und Wasserfunktionen sowie der landwirtschaftlichen Funktion vorhersehbar. Für eine Schadensminimierung fordern wir, dass die wenigen Grünstreifen innerhalb des Gebiets - z. B. angrenzend zu den Straßen - massiv verbreitert werden und dort insbesondere Versickerungsflächen etc. angelegt werden, die bspw. das komplette Niederschlagswasser lokal in den Boden bringen. Diese Absichten sollten weiterhin stärker im Textteil festgesetzt werden.

Zum Umweltbericht

"In der Bilanz für das Schutzgut Boden ergibt sich, unter Berücksichtigung der für das Schutzgut Boden festgelegten planexternen Kompensationsmaßnahme Oberbodenauftrag auf landwirtschaftlich genutzten Flächen mit dem anfallenden Oberboden aus dem Plangebiet, ein Defizit von 619.624 Ökopunkten."
Der gravierende Verlust in Bezug auf das Schutzgut Boden belegt die in der Präambel genannten Ausführungen.

"Ein weiterer Konfliktschwerpunkt ergibt sich beim Schutzgut Tiere und Pflanzen insbesondere durch die Beanspruchung von naturschutzfachlich hochwertigen wertvollen Feldhecken, die Bestandteile gesetzlich geschützter Biotope sind. Deren Beanspruchung soll durch die Neuanlage gleichwertiger Gehölzstreifen im Geltungsbereich kompensiert werden."
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass im Geltungsbereich eines B-Plans wertvolle Gehölzstreifen entwickelt werden sollen. Für zahlreiche bedrohte Arten können jedoch Gehölzstreifen im Siedlungsbereich nicht oder nur unvollständig die Funktion von Gehölzstreifen in der freien Landschaft erfüllen.
Verwiesen wird auf sandige Substrate im Planungsgebiet.
Geboten wäre deshalb im betroffenen Ackerland, auf Ruderalflächen und im Grünland eine Erhebung charakteristischer Arten dieser durch zunehmende Bebauung bedrohten Lebensräume der Hardtplatten.
Insgesamt ist deshalb zu beklagen, dass der Untersuchungsumfang im Bereich Biotik zu gering ist.
Ob das bearbeitende Büro bewusst "schlank und preisgünstig" angeboten hat oder ob seitens der Stadtverwaltung auf einen derart schmalen Untersuchungsumfang gedrungen wurde, muss offen bleiben.
Es kann hier u.a. auf den Leitfaden "Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben" verwiesen werden.
Auf Seite 11 steht: "In der Eingriffsregelung sind auch sonstige besonders wertgebende und planungsrelevante Arten von Bedeutung, unabhängig von einem gesetzlichen Schutzstatus."
Zu diesen Arten haben wir nichts in den vorgelegten Unterlagen gefunden.
Seite 13: "Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung muss vorrangig auf die gefährdeten Arten und noch weiter vertieft auf Arten fokussieren, für die unter biogeografischen Aspekten eine besondere Schutzverantwortung besteht." Zur Schutzverantwortung für Arten der Hardtplatten haben wir keine Aussagen gefunden. Dies ist nachzuarbeiten.

Konkret wäre aus unserer Sicht zu erheben: Wildbienen. Flora: Rote-Liste-Arten der Sandäcker und Sandfluren, Ackerbegleitkräuter. (Abzufragen (beispielsweise Büro Breunig) wie das Potenzial einzuschätzen und dann ggf. zu kartieren.
Unklar ist, ob im Umfeld des Betriebsgeländes im Norden nicht auch mit Pionierarten der Amphibien zu rechnen sein könnte. Eine Ergänzung des Untersuchungsumfangs zur Biotik ist insgesamt unerlässlich.
Fledermäuse: Es ist unverständlich, dass offenbar auf akustische Erhebungen verzichtet wurde. Leitlinien, Jagdhabitate? So sind diese Fragen nicht zu bewerten.
In Hinblick auf den Bodenauftrag: Es ist sicherzustellen, dass keine Flächen mit naturschutzfachlich wertvollen Vorkommen an Ackerbegleitkräutern oder sonstigen wertgebenden Arten betroffen sind. Es ist zu prüfen, ob Geländeerhebungen erforderlich sind. Dies wäre dann zu ergänzen.

Klima

"In der ökologischen Tragfähigkeitsstudie des Nachbarschaftsverbands Karlsruhe (GEO-NET UMWELTCONSULTING GmbH 2011) werden die Ackerflächen im Nordosten des Geltungsbereichs sowie die ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzflächen im Westen als klimatische Ausgleichsräume mit mittlerer Kaltluftlieferung ausgewiesen."
Vorliegende Klimaprognosen für das Oberrheingebiet lassen deutlich werden, dass Verluste an klimatischen Ausgleichsräumen unter allen Umständen vermieden werden müssen. Gegen diese Vorgabe würde mit der vorliegenden Planung verstoßen.
Zwar wird das Schutzgut Klima in den Karten des NVK maximal mit einer mäßigen Empfindlichkeit ausgewiesen, was den Schluss zulässt, dass kleinere Einzelflächen ohne große negative Auswirkungen bzgl. Klima umgewandelt werden können. Allerdings geht es hier um über 16 ha zusätzliche versiegelte Fläche und da stellt sich dann schon die Frage, ob die Karten des NKV eine Aussage über einen solch großen Eingriff überhaupt zulassen. Hohe sommerliche Temperaturen in den Nachtstunden werden sich unvermeidlich auf das Klima der angrenzenden Flächen auswirken. Um einen Eindruck zu erlangen, wie sich die Temperaturen lokal ändern werden, sei auf die Studien zu städtischen Wärmeinseln verwiesen, in der bis zu 7 Grad Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland nachgewiesen wurde (https://www.karlsruhe.de/b3/natur_und_umwelt/klima-wandel/lokal_regionalklima/karlsruher_stadtklima.de ). Zudem werden die östlich angrenzenden Nachbarflächen sämtlich mit einer hohen Empfindlichkeit bewertet. Wenn sich nun die Nachbarflächen aufgrund Versiegelung wie erwartbar stark aufheizen, wird es negative Auswirkungen auch für diese Flächen geben.
Wir fordern hier eine weitere Bewertung, ob eine solch umfangreiche Umwandlung von Freiflächen mit den klimatischen Anforderungen vereinbar ist. Konkrete Maßnahmen zur Minimierung der zukünftigen Wärmebelastung sollten weiterhin in den Festlegungen des B-Plans festgeschrieben werden. Zum Beispiel sind extensive Dachbegrünungen nur dann als Maßnahme wirkungsvoll, wenn diese auch tatsächlich angelegt werden und dauerhaft (über Jahrzehnte hinweg) gepflegt und vorhanden sind. Wenn Dachbegrünungen als Minimierungsmaßnahme anerkannt werden sollen, dann ist dies auch entsprechend zu kontrollieren und diese Maßnahmen festzuschreiben.

September 2021