Ortsverband Karlsruhe
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Stellungnahme zum Bebauungsplan „Seniorenwohnen am Gänsberg“ Karlsruhe – Stupferich

Gemeinsame Stellungnahme von Nabu und BUND Karlsruhe

Zum Vorentwurf des VbB

Zu lesen ist: „Ausbildung von mindestens 30 % der Dachflächen mit einer Dachbegrünung (Substratstärke 20 cm). Mit der gewählten Planungsvariante 2B wird dieser Anforderung Rechnung getragen.“
Und an anderer Stelle: „4.7 Gestaltung 4.7.1 Dächer Im Hinblick auf die besondere städtebauliche Situation im Randbereich angrenzend bestehender Bebauungen ist das Vorhaben gemäß den Festsetzungen im zeichnerischen Teil mit Satteldächern und teilweise mit Flachdächern umzusetzen.“

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Möglichkeit zur vollständigen bzw. umfangreichen Gestaltung der Gebäude mit begrünten Flachdächern nicht genutzt wird, die in Bezug auf das Retentionsvermögen wie auch in Hinblick auf die Biodiversität als vorteilhaft anzusehen sind. Mit der gewählten Gestaltung würde unseres Erachtens gegen das Vermeidungs- und Minimierungsgebot verstoßen.

Zur Beleuchtung wird ausgeführt: „Zur Vermeidung einer schädlichen Umweltbeeinflussung durch die Lichtemissionen bestimmter Werbeanlagen wird eine Verwendung von wechselndem oder bewegtem Licht, drehbare Werbeträger und solche mit wechselnden Motiven, sowie Laserwerbung, Sky-Beamer oder Ähnliches ausgeschlossen.“

Diese Festsetzungen sind unzureichend bei einem Bauvorhaben, das an naturschutzfachlich wertvollen Außenbereich angrenzt. Auch von nicht bewegtem Licht gehe negative Wirkungen aus. Die Vorlage eines artenschutzgerechten Beleuchtungskonzepts (Art und Umfang der Beleuchtung, Lichtfarbe….) ist zwingend zu fordern. Die Ausführungen auf Seite 25f. sind in diesem Konzept zu konkretisieren.

Nachdrücklich begrüßt werden die nachfolgend zitierten Ausführungen: „Aufgrund der sensiblen Lage am Ortsrand im Übergang zur freien Landschaft muss sichergestellt sein, dass die Kombination aus extensiver Dachbegrünung und Photovoltaik so umgesetzt wird, dass auch die ökologische Funktionsfähigkeit des Gründaches sichergestellt ist. Die Stärke des Dachbegrünungssubstrats oberhalb einer Drän- und Filterschicht wird auf mindestens 12 cm im gesetzten Zustand fest-gesetzt. Die Einsaat erfolgt mit der auf Karlsruher Verhältnisse abgestimmten Mischung aus Kräutern.“

Zum zeichnerischen Teil des VbB

Eine intensivere Durchgrünung ist unbedingt vorzusehen, lt. Plan sind 10 Bäume vorgesehen. Weitere Baumstandorte sowie Heckenstrukturen sind zu prüfen und nach Möglichkeit vorzusehen. Unabhängig davon ist es als geboten anzusehen, sowohl in Hinblick auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wie auch als Minimierungsmaßnahme Fassadenbegrünung zu planen und verbindlich festzuschreiben.

Zum Umweltbericht

Zu Kapitel 4.5 und 6.5: Schutzgut Klima/Luft
Eine Bilanzierung der Änderungen zwischen Ist/Sollzustand wurde über die Verdunstungsleistung vorgenommen. Bitte korrigieren: In den Planzeichnungen sind im Sollzustand auf einige Flachdachflächen mögliche Aufstellflächen für Technik sowie Ausstiege/RWA vorgesehen.
Diese Aufstellflächen werden demzufolge nicht begrünt und sind daher ohne Verdunstungsleistung. Die für die Bewertung relevanten Flächen sind entsprechend zu reduzieren (Bewertung in Tabelle 10). Unberücksichtigt bleibt im Umweltbericht die Bewertung des Verlustes von Kaltluftproduktion und Kaltlufttransportflächen. Topografisch gesehen wird Kaltluft von höher gelegenen Flächen nach unten in Richtung Kleinsteinbacher Straße weitergeleitet. Diese Funktion entfällt bei Umsetzung des Bebauungsplans bzw. wird eingeschränkt, so dass im Umgebungsbereich von einer geringeren Durchlüftung und demzufolge höheren Temperaturen auszugehen ist. Im Umweltbericht sollte eine Bewertung durchgeführt werden und diese bei Ausgleichsmaßnahmen berücksichtigt werden. Die Bewertung der Kaltluft ist nicht im verfeinerten Biotopwertverfahren beinhaltet.

Im Umweltbericht sollten die Möglichkeiten eines planinternen Ausgleichs noch verfeinerter dargestellt werden. Planexterner Ausgleich sollte als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Der Entwurf lässt hier noch Optimierung zu.

  • Ein Großteil der Dachflächen (ca. 2000 m²) werden als bis zu 19° geneigte Satteldächer ausgeführt und nur ca. 900 m² als begrüntes Flachdach. Satteldächer sind ohne Funktion bezüglich z. B. Wasserrückhalt, Klima/Luft, Biotop. Werden die Satteldächer als begrünte Flachdächer ausgeführt, kann ein größerer planinterner Ausgleich berücksichtigt werden. Dies ist in Kap. 8 Umweltbericht dargestellt. Die Umwelt- und Naturschutzverbände kritisieren, dass lediglich aus gestalterischen Gründen auf größere begrünte Flachdachflächen verzichtet wurde und fordern, klimatische Aspekte stärker zu berücksichtigen.

  • Begrünung als intensive Begrünung (Dachgarten) anstelle lediglich extensiver Begrünung

Zu Kapitel 7.6
Zu den planexternen Ausgleichsmaßnahmen kann keine Stellung genommen werden, da diese in vorliegenden Entwurf nicht aufgelistet sind. Im weiteren Verfahren erwarten wir eine detailliierte Prüfung und Darstellung, welche Möglichkeiten zur Entsiegelung von bebauten und versiegelten Flächen in der nahen Umgebung vorhanden sind.

Zu bearbeiten sind unseres Erachtens auch beobachtete Veränderungen im Gebiet, die zum Verschwinden europarechtlich geschützter Arten und Lebensraumtypen geführt haben.

 

Auf die Verlustfläche des Lebensraumtyps 6510 (rot im Screenshot) sei hingewiesen. Aufzuarbeiten ist die Frage des Bewirtschafters, der Eigentumsverhältnisse (städtisch?) und der Ursachen. Eine Wiederherstellung sehen BUND, LNV und NABU als geboten an. Sie ist in Kombination mit dem Kompensationskonzept für die vorliegende Planung zu realisieren.

Beschrieben wird: „Insgesamt wurden fünf Zauneidechsen nachgewiesen. Die Tiere besiedelten im Untersuchungsgebiet sonnenexponierte Saumstrukturen, strukturreiche Holzlager und Nutzgärten. Im Geltungsbereich wurden auf dem gärtnerisch genutzten Flurstück 90254 sowie an einem Holzstapel direkt an den Geltungsbereich angrenzend Zauneidechsen zu beobachtet. Nach der Artenschutzrechtlichen Ersteinschätzung und im Laufe der Bestandserfassungen wurden jedoch alle der ursprünglich drei Brennholzstapel nach und nach abgeräumt, so dass bei der letzten Begehung kein Holz mehr vorhanden war bzw. keine Reptilien mehr in diesem Bereich festgestellt wurden.“

Beschrieben wird also das Verschwinden einer streng geschützten Art durch Zerstörung ihrer Habitate. Die vorliegenden Erhebungen sind zum Anlass zu nehmen, diesen Umweltschaden im Rahmen der vorliegenden Planung zu sanieren.

Zu den faunistische Bestandserhebung und Artenschutzrechtliche Verträglichkeitsprüfung (saP)

zu Punkt 4.2
Im Gutachten steht, dass eine vorhabenbedingte Tötung durch Einhalten der Rodungsfristen ausgeschlossen werden kann. Dem muss widersprochen werden. Falls Bauarbeiten während der Brutzeit starten, ist es möglich, dass Arten, die ihr Gelege in Nähe zum Baufeld angelegt haben, dieses aufgeben. So befindet sich bspw. ein Revierzentrum des Stars in direkte Nähe zum Baufeld. Um dies zu verhindern sind die Bauarbeiten im günstigsten Fall vor Beginn der Vogelbrutzeit zu starten und aufrecht zu erhalten, so dass eine vergrämende Wirkung erzielt wird. Beginnen die Arbeiten während der Vogelbrutzeit, ist das Baufeld sowie umgebende Bereiche in einem Bereich von 20m (mittlere Fluchtdistanz von Singvogelarten nach Gassner et al. 2010) vor Baubeginn durch eine ökologische Baubegleitung (Avifaunist) auf Bruten zu überprüfen.

Da alle europäischen Brutvogelarten dem Artenschutzrecht unterliegen, müssen neben den Arten, die auf der Roten Liste geführt werden, auch ungefährdete Arten betrachtet werde (siehe u.a. Jedicke in NuL 05/2015). Das heißt, Tötung, Störung und Erhalt der ökologischen Funktionsfähigkeit sind für alle im Plangebiet nachgewiesenen Arten zu prüfen. Die artenschutzrechtliche Prüfung ist nicht nur auf die drei Arten Turmfalke, Haussperling und Star zu begrenzen.
Im Plangebiet werden im Zuge der geplanten Bebauung mehrere Gehölze gerodet, die – so lässt es die Erfassung annehmen (eine Darstellung der Revierzentren aller Arten ist leider nicht vorhanden) – Fortpflanzungsstätten von höhlen- oder nischenbrütenden Arten sind. U.a. wurden im Untersuchungsgebiet Kohlmeise, Kleiber, Blaumeise, Gartenbaumläufer, Hausrotschwanz und - als mögliche Brutvogelart – auch der Buntspecht als Brutvogel festgestellt.
Da in der freien Landschaft das Angebot an Höhlenbäumen stark abnimmt, u.a. durch den Verlust oder die ausbleibende Pflege von Streuobstflächen, stehen höhlen-/nischenbrütenden Arten schon jetzt in hoher Konkurrenz zueinander. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die ökologische Funktion für die betroffenen Revierpaare im Zuge der Bebauung nicht gewahrt bleibt. Es ist nicht davon auszugehen, dass ausreichend unbesetzte Höhlenbäume in räumlicher Nähe vorhanden sind, auf welche die Brutpaare von Blaumeise und Co. ausweichen können.
Der Verlust an Höhlenbäume ist kurzfristig durch artentsprechende Nistkästen im Verhältnis 1:3 auszugleichen. Langfristig ist der Verlust an Höhlenbrutstätten durch die Neupflanzung von höhlenbildenden Bäumen auszugleichen. Dies ist bei Punkt 5.1 „Eingrünung des Vorhabens mit gebietsheimischen Gehölzen“ zu berücksichtigen.
Durch die Bebauung entfallen aber nicht nur die Brutstätten von Höhlen- und Nischenbrütern, sondern auch weiterer frei im Gehölz brütenden Arten sowie Flächen, die zur Nahrungssuche genutzt werden. Der stetige Rückgang an Insekten führt zu einer Verknappung der Nahrungsressourcen, v.a. auch für insektenfressende Vögel. Im Zweifel ist nicht davon auszugehen, dass die ökologische Funktion für alle Revierpaare erhalten bleibt. Da langfristig Dachbegrünungen und insektenfreundliche Bepflanzungen angedacht sind, wird sich dies positiv auf die Insektenverfügbarkeit auswirken. Kurzfristig – für die Dauer der Bauzeit - ist zu prüfen, ob die Anlage einer Blühbrache in Nähe zur Eingriffsfläche möglich ist.

Auf die nachfolgend zitierte Rechtsprechung sei verwiesen: Der EuGH stellte in seinem Urteil v. 28.10.2021 , Rs. C-357/20 den Erhalt der ökologischen Funktionalität in den Mittelpunkt seiner Argumentation und gelangt dadurch zu einer weiten Auslegung des Vernichtungs- und Beschädigungsverbots. Geschützt sind alle zur Fortpflanzung erforderlichen Gebiete. Dies kann auch das Umfeld einer Fortpflanzungsstätte betreffen. Der Schutz dauert bis zum Abschluss der erfolgreichen Fortpflanzung. Ist die Fortpflanzungsstätte aktuell unbenutzt, bleibt der Schutz bestehen, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Tiere sie erneut nutzen. Mit dieser Entscheidung stellt der EuGH klar, dass sich die Auslegung des Artenschutzes an den ökologischen Bedürfnissen der Tiere zu orientieren hat. Mit EuGH-Urteil 4.2.2021 gilt bereits Schutz des Individuums. Nach EU -Recht sind somit auch Arten mit günstigem Erhaltungszustand geschützt. Entgegen deutscher Praxis muss man nicht erst warten, bis sie dezimiert sind.

zu Punkt 5.1
Wir begrüßen ausdrücklich die Empfehlung des Gutachters, auch Nisthilfen für die Mehlschwalbe, Haussperling und Star anzubringen, obwohl diese Arten nicht direkt von einen Höhlenbaum- bzw. Nistplatzentfall betroffen sind. Die Nisthilfen für Mehlschwalben sollten hierbei in ausreichender Höhe und unter Berücksichtigung allgemeiner Erkenntnisse zur Annahme von Nisthilfen für Mehlschwalben (Dachüberstand, helle Hausfassade) angebracht werden, um die Annahmewahrscheinlichkeit zu erhöhen. Etwaige Zielkonflikte mit der Forderung nach einer Gestaltung mit Flachdächern sind gutachterlich-planerisch aufzulösen. Da in Stupferich die Mehlschwalbenbestände regelmäßig durch den NABU erfasst werden, steht die NABU Gruppe Karlsruhe hier zur Beratung gerne zur Verfügung.
Ebenfalls begrüßen wir die Maßnahmen zur Vermeidung von Vogelschlag und die Vorgaben zur insektenfreundlichen Außenbeleuchtung. Diese sind jeweils in konkreten und artenschutzrechtlich zu prüfenden Planunterlagen zu konkretisieren. In Bezug auf den Vogelschlag gilt dies insbesondere für die Anordnung von Fensterflächen, Durchgängen…

Als weitere Vermeidungsmaßnahme sollten Gehölze, die angrenzend an das Baufeld stehen und zu erhalten sind mit einem Baumschutz umgeben werden.

zu Punkt 5.2.
Durch die Bauarbeiten besteht die Gefahr der Tötung von Reptilien (vgl. Punkt 4.1). Um diese Gefahr zu unterbinden, fehlt unter Punkt 5.2. die entsprechende Maßnahme. Nach erfolgter Vergrämung und vor Beginn der Bauzeit ist deshalb ein Reptilienschutzzaun um das Baugebiet zu stellen, der regelmäßig durch die ÖBB auf Funktionsfähigkeit überprüft wird, um ein erneutes Einwandern von Reptilien in das Baufeld zu unterbinden.
Die Vergrämungsmaßnahme ist zudem eine Vermeidungsmaßnahme und streng genommen unter Punkt 5.1 als separater Punkt aufzuführen.

Wir begrüßen die CEF-Maßnahme. Erstrebenswert wäre es hierbei, eine Vernetzung der Vorkommen auf 90254 mit den Vorkommen auf Flur 90333/1 zu ermöglichen.

Sonstiges

Wir vermissen die Forderung nach einer ökologischen Baubegleitung, welche die Vermeidungs- und CEF-Maßnahmen prüft. Zu den Aufgaben der ÖBB gehören im vorliegenden Fall insbesondere die Überwachung des Rodungszeitraums, das Prüfen der Anzahl an gerodeten Höhlenbäumen, die Durchführung der Vergrämungsmaßnamen, das Stellen und die regelmäßige Prüfung des Reptilienzauns sowie die Überprüfung der Baufelder und umgebenden Flächen auf Vogelbruten während der Bauphase.

Wir gehen davon aus, dass außerhalb des Plangebiets keine BE-Flächen geplant sind. Sollte dies doch der Fall sein, sind die artenschutzrechtlichen Prüfungen entsprechend zu ergänzen. Eine Inanspruchnahme der FFH-Mähwiesen ist in jedem Fall zu vermeiden.

Die hier getroffenen Anmerkungen gelten auch für den Umweltbericht, da in diesem die Einschätzungen und Maßnahmen aus dem Artenschutzgutachten übernommen wurden.

Grundsätzliches:

Die vorliegende Planung erscheint unter Berücksichtigung der genannten Forderungen als grundsätzlich genehmigungsfähig. Dies gilt ausdrücklich nicht für weitere Planungsüberlegungen, die über das Seniorenwohnen und die Kita-Erweiterung hinausgehen. Neben den FFH-Mähwiesen sei exemplarische auf einige besonders wertgebende Arten im weiteren Gänsberggebiet bzw. dessen direkten Umfeld hingewiesen: So brüteten 2024 bekannterweise noch die besonders geschützten Arten Rotmilan und Steinkauz (deren Brutstätten bekannt sind) und der Neuntöter hier. Ihr Brutgebiet ist zwar (noch) nicht betroffen ist, aber deren Nahrungshabitat werden schon durch die jetzige Baumaßnahme verkleinert werden.

August 2024